Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
Vom Netzwerk:
gefürchtet hatte und zu mir auf den Ast herauskam.
    »Ah, eine Schnecke«, sagte sie. »Sie kann uns nichts tun, aber wir können sie essen.«
    Ich hatte nicht daran gedacht, daß Schneckenfleisch nicht nur eßbar und nahrhaft, sondern, wie nicht nur die Franzosen wissen, sogar sehr wohlschmeckend ist. Nun, da die Prinzessin es erwähnte, erinnerte ich mich an die vielen Dutzend Weinbergschnecken mit Kräuterbutter, die ich in meinem früheren Leben verzehrt hatte, und begann diese arme, nichtsahnende Schnecke als eine leckere Delikatesse zu betrachten. Es war nicht schwierig, das träge Tier mit einem abgebrochenen Knüppel zu erschlagen und zur Astgabel zu schleifen. Auf Niamhs Anregung schlugen wir das Schneckenhaus in zwei Hälften auseinander, die uns als Schüsseln dienen konnten. In diesen wollten wir das Fleisch der Schnecke im eigenen Saft schmoren. Nur – dazu mußten wir Feuer machen.
    Das war ein weiteres Problem, aber glücklicherweise kein unlösbares. Mit einem kleinen Stock, einem Stoffstreifen aus meiner Hose, trockenen Rindenstücken und Moos machte ich einen Feuerbohrer, und mit Geduld und Hingabe gelang es mir, Glut zu erzeugen und eine winzige Flamme zu entfachen, die wir sofort mit Bruchstücken von trockenen Blättern nährten.
    Während Niamh die Schneckenhälften auf kleiner Flamme schmorte, so daß die Luft sich bald mit verlockenden Düften füllte, nahm ich Bruchstücke vom Schneckenhaus und schärfte damit den Dorn meiner Gürtelschnalle. Die Kalkschale des Schneckenhauses, obschon spröde, war bemerkenswert hart, und mit beharrlicher Anstrengung konnte ich meiner behelfsmäßigen Dolchklinge zwei Schneiden und eine Spitze schleifen. Das hintere Ende hämmerte ich in ein passendes Stück Holz als Handgriff.
    Müde, aber einstweilen sicher und mit dem Nötigsten versorgt, aßen wir zu Abend. Die Schnecke, unter Zugabe von reichlich Wasser gekocht, schmeckte zwar etwas fade, gab aber eine zufriedenstellende und vor allem sehr sättigende Mahlzeit ab. Ein wenig Tomatensoße oder Vinaigrette hätte allerdings nicht schaden können, aber wir durften nicht wählerisch sein.
    Nach der Mahlzeit sammelte ich genug Zweige und Rindenstücke, um das Feuer die Nacht über in Gang zu halten. Die Borke flammte nicht wie Holz auf, sondern verschwelte allmählich und glühte lange nach. Diese orangerote Glut würde dazu dienen, nächtliche Räuber von uns fernzuhalten, so hoffte ich wenigstens, und sie würde genug Wärme verbreiten, daß uns nicht fror, wenn es kalt werden sollte.
    Wir trugen Blätter zusammen und machten uns Lager zu beiden Seiten des Feuers. Die weniger spröden Blätter verwendeten wir als Decken und wickelten uns darin ein. Ich war nicht wenig stolz auf meine neuentdeckten Fähigkeiten als Waldläufer, obwohl Niamh meine Findigkeit für selbstverständlich hielt und nicht daran zu denken schien, sie mit Lob zu quittieren. Natürlich war ich in ihren Augen ein mächtiger Held aus ferner Vergangenheit, für den kein Problem unlösbar war. Deshalb verzichtete ich lieber auf ihr Lob als daß ich ihr diese Illusionen genommen hätte. Bevor wir einschliefen, besprachen wir unsere Lage, die Gefahren, die uns in den kommenden Tagen erwarten würden, und die wenigen Hoffnungen, die wir hatten. Niamh glaubte nicht an die Chance unserer Rettung durch Suchmannschaften aus Phaolon.
    »Sie wissen nicht, wo sie suchen sollen«, sagte sie. »Die Welt ist groß und voller Schrecken, und wir sind klein und schwach. Wie sollten sie wissen, daß wir den Sturz überlebt haben? Noch nie hat jemand einen Sturz aus solcher Höhe überlebt.«
    »Aber sicherlich werden sie uns trotzdem suchen!« erklärte ich. »Ich wundere mich, daß unsere Jagdgefährten nicht schon vor Stunden herabgeflogen sind, uns zu suchen. Auf ihren Libellen hätten sie in kurzer Zeit das Netz erreichen können.«
    Sie schüttelte den Kopf, daß ihr Haar im warmen Lichtschein der Glut silbern aufleuchtete.
    »Daß sie es nicht taten, bestätigt nur, was ich befürchtet hatte«, murmelte sie. »Sie werden ebenso hilflos sein wie wir. Denn die rote Riesenechse, die uns dort oben überraschte, stellt den Libellen nach. Bei ihrem Erscheinen müssen die Libellen sich losgerissen haben und in ihrer Angst in alle Winde geflohen sein. Ich fürchte, wir können von meinem Volk keine Hilfe erwarten.«
    Sie seufzte. Der Glutschein lag warm auf ihrem lieblichen Gesicht. Nach einer Weile sanken die seidigen Lider über die unergründliche Pracht

Weitere Kostenlose Bücher