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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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haarigen Beine, ihre Kiefer schnappten ins Leere, der kugelförmige Hinterleib pumpte auf und ab. Die straff gespannten Kabel des Netzes vibrierten und schwangen unter ihren Zuckungen.
    Ich schob Niamh weiter, und wir kletterten das dicke Haltekabel entlang, so schnell wir konnten, fort von dem geblendeten Ungeheuer.
    »Wird sie uns verfolgen?« keuchte Niamh, als wir nach zwanzig Metern haltmachten und zurückblickten.
    »Das wissen die Götter«, sagte ich. »Laß uns weiterklettern -solange wir können!«
    Wir wußten nur zu gut, daß die Riesenspinne nicht auf ihre Augen angewiesen war, wenn sie uns fangen wollte. Die durch unsere Bewegungen verursachten Vibrationen sagten ihr deutlich genug, wo wir uns befanden. Unsere einzige Hoffnung lag darin, daß die Schmerzen, die ich dem Monstrum zugefügt hatte, stark genug waren, den Jagdinstinkt und etwaige Hungergefühle zu überlagern – wenigstens so lange, daß wir inzwischen den Baumriesen erreichen konnten, der wie eine ungeheure Wand vor uns aufragte.
    Wir brauchten eine gute halbe Stunde, die breite Astgabel zu erreichen, wo das Haltekabel am Baum verankert war, und die Spinne, aus welchen Gründen auch immer, hatte uns nicht weiter verfolgt.
    Die Astgabel war so breit wie ein Fußballplatz, und beinahe so eben. Wir sanken zu Boden, erschöpft und zitternd, schwach und hysterisch vom einsetzenden Schock, aber einstweilen in Sicherheit.
    So groß die momentane Erleichterung sein mochte, es gab keinen Anlaß zur Hoffnung. Wir waren allein, unbewaffnet und ohne Proviant, geschwächt und hilflos in einer Welt, in der selbst bei Tag nur Dämmerung herrschte, in der wir uns nicht auskannten und die von blutgierigen Raubtieren durchstreift wurde, deren Angriffen wir nahezu schutzlos preisgegeben waren.
    Und nun sank die Nacht auf die Welt des grünen Sterns herab.

Teil III
Das Buch von Siona der J ägerin
     
11. Eine Nacht im Baum
    Mein Leben auf der Erde hatte mich nie gezwungen, besondere Findigkeit zu entwickeln. Erbe wohlhabender Eltern, der ich war, umsorgt von loyalem Hauspersonal, an Bett oder Rollstuhl gefesselt, hatte ich niemals in Umstände geraten können, wo mein überleben allein auf meiner Fähigkeit beruhte, ohne Hilfsmittel in der Wildnis zu existieren.
    Aber nun hatte ich nichts anderes, worauf ich mich verlassen konnte als meinen Verstand und meine fünf Sinne. Und neben mir, erschöpft und verängstigt von den schrecklichen Geschehnissen, die es durchlitten hatte, lag ein zartes junges Mädchen, das ein glückloses Schicksal meinem Schutz anvertraut hatte.
    Je länger ich über unsere Lage nachgrübelte, desto hoffnungsloser erschien sie mir. Hungrig, zermürbt vom Kampf gegen die Riesenspinne, zitternd vor Müdigkeit, gestrandet in einer Astgabel, fünfhundert Meter über dem Boden, mußten wir irgendwie Nahrung, Wärme und Schutz gegen die räuberischen Lebewesen finden, die bald zu ihren nächtlichen Beutezügen aufbrechen würden. Und wir hatten nichts als unsere bloßen Hände.
    Nun, immerhin hatte ich noch meinen Brustharnisch, und die Prinzessin hatte noch einige zerschlissene Fetzen von ihrem prächtigen Jagdkleid, und vielleicht konnte man daraus etwas machen. Not, so heißt es, macht erfinderisch; und unsere Not war in der Tat groß.
    Der Harnisch war ein stabiles Ding aus zusammengenieteten Metallplatten, mit dickem Stoff unterfüttert. Dann hatte ich noch die zerrissene Pumphose mit einem Ledergürtel und einem zusätzlichen Gurt, an dem ich meinen Degen getragen hatte, und die Landsknechtsstiefel. Das war alles.
    Was Niamh betraf, so waren ihr nur einige Lappen und Fetzen verblieben, mit denen sie gerade ihre Blöße bedecken konnte, und – um die Wahrheit zu sagen – das wenige, das sie anhatte, war voller Risse, durch die man glatte, elfenbeinfarbene Haut ihres wundervollen Körpers sehen konnte. Aber eine juwelenbesetzte Brosche war mit ihrer Sicherheitsnadel an den Resten ihres Kleids hängengeblieben, und ein großer Brillant schmückte ihre Hand.
    Als ich nach Möglichkeiten suchte, fiel mein Blick auf die schwere Schnalle meines Schwertgürtels. Sie war so groß wie meine Handfläche, und der Dorn dieser Schnalle war wie eine schmale Bronzeklinge, mehr als zehn Zentimeter lang. Er mochte eine brauchbare Dolchklinge abgeben, wenn ich die Mittel hätte, Spitze und Kanten zu schärfen.
    Wären wir nicht in der Astgabel eines himmelhohen Baums gewesen, so hätte ich wahrscheinlich unschwer einen Stein finden und meine

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