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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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haben. Sie schien meine Wutschreie und Flüche nicht zu hören, denn sie reagierte mit keiner Bewegung, und ihre Augen blieben starr.
    Ich durchschnitt den zweiten Stengel und zog den Saugfuß von ihrer Schulter. Er löste sich mit einem widerlich schmatzenden Geräusch und hinterließ ein Muster von ungezählten winzigen Blutströpfchen auf ihrer bläulichrot verfärbten Haut. Ich warf das nasse Ding fort, brüllend wie ein verwundeter Stier.
    Dann fühlte ich ein brennendes Prickeln an meinem linken Oberarm, und als ich hinsah, haftete dort ein großer, schwammiger Saugfuß. Er brannte wie Nesseln, aber der bittere Kuß der Vampirblume ging bald in Taubheit unter; der ganze Oberarm zwischen Ellbogen und Schulter schien gefühllos zu werden. Ich achtete nicht auf das Ding und hackte weiter auf dem dritten Fangarm herum, der mit seinem Saugschwamm an Niamh hing. Aber meine Schnitte waren nicht mehr präzise, trafen nicht mehr dieselbe Stelle, und mein Aufwand an Kraft und Zeit wurde immer größer, so sehr ich mich abmühte. Ich begriff, daß der narkotische Duft der schrecklichen Blume im Begriff war, auch mich zu überwältigen.
    Dieses Blumenungeheuer war keine unschuldige Pflanze, sondern ein grausiges Monster, ein scheußliches Zwischending von Pflanze und Tier, deren blutdürstige Natur mit raffinierter Mimikry maskiert war. Mit dem Aussehen einer gewöhnlichen Blume lockte das Ding die Rieseninsekten der Welt des grünen Sterns an, um sie dann, wenn sie am Rand des Blütenkelches landeten und den vermeintlichen Nektar trinken wollten, mit herausschießenden Fangarmen und Saugfüßen zu fesseln und auszusaugen.
    Aber nun hatte das Monster ein seltenes und unerwartetes Opfer in ihre seidige Falle gelockt, eine besondere Delikatesse. Menschliches Blut mußte ihr ein köstlicher Genuß sein, denn die nun karmesinroten Blütenblätter zitterten in begieriger Lust, und die gummiartigen Fangarme, selbst die abgeschnittenen, zuckten und streckten sich in unersättlichem Hunger. Ich sägte und hackte an den Strängen herum, bis die letzten Reste meiner Kraft im Nebel der Bewußtlosigkeit erlahmten. Als mein Bewußtsein schließlich eingelullt in narkotisch wohligem Duftempfinden versagte, war mein letzter Gedanke, daß Niamh wenigstens bewußtlos sei und keine Schmerzen ertragen müsse, während die Vampirpflanze ihr das Blut aussaugte. Sie würde aus ihrem Dämmerzustand nicht mehr erwachen; ihre Bewußtlosigkeit würde sich mehr und mehr vertiefen, bis sie unmerklich durch das dunkle Portal des Todes in einen Schlaf hinübertreiben würde, der so barmherzig wie endgültig war …
    Da, als meine Hände herabsanken und mein Griff sich lockerte, als meine Augen zufielen und meine Knie nachzugeben begannen, wurde meine schwindende Aufmerksamkeit von etwas gefangen und festgehalten.
    Ein komisches Ding war plötzlich erschienen und hatte den Boden der riesigen Blüte durchbohrt. Ich kniff verwundert und verständnislos die Augen zusammen.
    Es war ein rotgefiederter Pfeil.

13. Die Ge ächteten
    Die Sicht getrübt durch einen rasch dichter werdenden Nebel, starrte ich verdattert den rotgefiederten Pfeil an, der aus dem Nichts erschienen war und das Zentrum der Vampirblume durchbohrt hatte, als ob er durch Zauberei dorthin gelangt wäre.
    Ein Zwinkern, und da waren plötzlich zwei Pfeile – und dann ein dritter! Nebeneinander zitterten sie im Kerzen der Blume.
    Und die Blume schrie. Einen hohen, fremdartigen Schrei der Wut und Angst, so schrill, daß er die Grenze zur Unhörbarkeit berührte. Die Blütenblätter zitterten, sanken herab, die Wurzeln unter meinen Füßen schienen sich zusammenzuziehen, die gummiartigen Fangarme, die Niamh und mich umklammerten, spannten sich wie im Krampf, um dann zu erschlaffen. Ich taumelte rückwärts und fiel, immer noch halb betäubt von den narkotischen Duftstoffen, die ich inhaliert hatte. Ich wollte wieder aufstehen und zu Niamh eilen, deren lebloser Körper in der obszönen Umarmung der Pflanze lag, sie von den widerlichen, bluttriefenden Saugnäpfen befreien, aber ich kam nicht hoch, konnte kaum meinen Kopf heben.
    Auf einmal waren Männer überall um uns, nahmen in dem goldgrünen Zwielicht Gestalt an. Sie waren größer und muskulöser als die Bewohner Phaolons, trugen einfache Röcke und enge Beinkleider in dunklen Erdfarben: Braun, Grün, Oliv. Auf ihren Köpfen hatten sie spitze Filzkappen mit weit vorstoßenden Augenschirmen, und ihre Füße steckten in weichen Lederstiefeln.

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