Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
Vom Netzwerk:
stämmiger Mann, untersetzt und ein wenig verwachsen, und er hatte einen leicht hinkenden Gang. Sein Gesicht war breit und fleischig, mit kleinen dunklen Augen, die wach und hitzig dreinblickten. Diese Eigenheiten waren der Grund, daß ich mich sofort an ihn erinnerte, obwohl wir noch nie ein Wort gewechselt hatten.
    Nun stand er im Eingang zu unserer Kammer und spähte neugierig und mit einem wissenden Grinsen herein. Wahrscheinlich hatte man ihn geschickt, uns zu wecken und zum Frühstück zu holen; aber die verstohlene Art, wie er seine Aufgabe erfüllte, brachte mich auf. Warum mußte er mit diesem schmutzigen Grinsen in unsere Privatsphäre eindringen und sich genüßlich an Niamhs langen nackten Beinen und an ihrem Körper weiden, den man durch die Risse und Löcher ihrer zerfetzten Kleider sehen konnte?
    »Was willst du?« zischte ich ihn wütend an.
    Statt den Grund seines Eindringens zu erklären, kam er ganz herein und hinkte an unser Bett, und sein Grinsen wurde zu einem lautlosen Lachen, als er sah, daß das schlafende Mädchen halb auf mir lag.
    Das war zuviel. Ohne mich von der Matratze zu erheben, zog ich mein linkes Bein an und versetzte ihm einen wuchtigen Fußtritt ins Gesicht.
    Er taumelte zurück, fiel gegen die Wand und landete auf dem Hinterteil. Mein Fußtritt hatte das dreckige Lachen aus seinem dicken Gesicht gewischt; er war sofort wieder auf den Beinen, ein übel aussehendes Jagdmesser in der Rechten, und seine kleinen schwarzen Augen funkelten jähzornig.
    Ich sprang aus dem Bett, als er mit der blitzenden Klinge auf mich losging. Auf der Erde hatten meine Kenntnisse über Schlägereien und die Tricks von Messerstechern sich auf das beschränkt, was ich gelegentlich im Fernsehen gesehen hatte; aber Chongs Körper wußte alles über diese Dinge, und seine instinktiven Reaktionen zeigten sich der Gefahr mühelos gewachsen.
    Ich schlug seinen Arm zur Seite, blockierte seinen Angriffsschwung mit dem vorgehaltenen Unterarm und rammte ihm die geballte Faust in die Magengrube. Er japste nach Luft, sein Gesicht wurde aschgrau, dann fiel er auf die Knie und krümmte sich keuchend. Der Schlag hatte ihm den Kampfgeist ausgetrieben, und als ich mich bückte, das Jagdmesser aufzuheben, das seinen Fingern entfallen war, wurde ich mir wieder der Vorteile bewußt, den Körper eines Kämpfers zu haben.
    Im nächsten Augenblick kam Yurgon herein, angelockt von den Geräuschen unseres Kampfes, und trat zwischen uns. Er zog Sligon auf die Beine und schob ihn zurück, dann kehrte er ihm den Rücken und richtete seinen strengen Blick auf mich.
    »Keine Schlägereien, ihr zwei!« sagte er schneidend. »Das ist Sionas Vorschrift. Irgendwelche weiteren Handgreiflichkeiten zwischen euch, und ich laß euch beide auspeitschen. Ist das klar?«
    Ich nickte. »Völlig. Aber es sollte auch klar sein, daß dieser Kerl oder jeder andere, der hier hereingeschlichen kommt, um die Prin – äh – meine Partnerin und mich zu begaffen, das nächstemal wieder einen Tritt kriegt, ob mit Auspeitschung oder nicht. Ich hoffe, du wirst das verstehen.«
    Yurgon lächelte. »Das ist klar. Sligon, du läßt unsere Gäste von jetzt an in Ruhe, verstanden? Wenn das wieder vorkommt, kriegst du von mir noch einen Tritt dazu.«
    Der andere nickte, aber er sagte nichts und in seinen Augen brannte ein böses Feuer. Ich warf ihm sein Messer vor die Füße und wandte mich zu Niamh, die verwirrt und mit rotem Kopf auf der Matratze kauerte und nichts von alledem verstand, was um sie vorging. Für mich war der Zwischenfall erledigt und abgeschlossen, und hätte Yurgon es verlangt, so wäre ich sogar zu einer versöhnlichen Geste bereit gewesen. Schließlich waren wir auf das Wohlwollen dieser Leute angewiesen.
    Aber als Sligon sich umwandte, um hinter Yurgon aus der Kammer zu gehen, warf er mir noch einen finsteren Blick zu, der bohrende Haß des Gedemütigten war in diesem Blick, und ich hätte gut daran getan, diese Reaktion des Verwachsenen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Doch schenkte ich dem Blick und dem Mann keine weitere Beachtung, und darin lagen mein Sturz und Niamhs Verhängnis begründet. Solch banale Kleinigkeiten sind oft die Angeln, in denen sich das Schicksal wendet.
    Siona, die ihren Raum irgendwo in der oberen Galerie hatte, war der Streit entgangen, und niemand hielt es für wichtig genug, sie davon zu unterrichten. Als sie zum Frühstück kam, bemerkte sie den traurigen Zustand unserer Kleider, die, abgesehen von

Weitere Kostenlose Bücher