Der grüne Stern
beschränkt, eine verwöhnte, untätige Clique von parasitären Adligen, von denen man schlechterdings nicht erwarten konnte, daß sie in ihrem müßiggängerischen, dem Genuß frönenden Leben je körperliche Tüchtigkeit und männliche Tugenden entwickelten.
Aber die Geächteten von Sionas Bande waren Männer durch und durch und kannten die Bedeutung von Disziplin. Im Nu waren die Libellen gesattelt und startbereit, die Lasttiere mit der Jagdbeute beladen, die Männer aufgesessen.
Siona gab ein Zeichen, und nacheinander starteten die Leute von dem Riesenast, formierten sich in der Luft zu einer Doppelreihe und schwirrten durch den dämmernden Abend aufwärts zu den oberen Terrassen des Waldes. Es wurde rasch dunkel.
Ich fragte mich, ob es klug sei, bei Nacht zu fliegen, denn ich hielt es für ungleich gefährlicher als bei Tag, einmal wegen der zahlreichen nächtlichen Raubtiere, zum anderen wegen der Schwierigkeiten, die das Manövrieren im dunklen Luftraum zwischen den ineinander verschränkten Ästen und Zweigen mit sich brachte. Außerdem konnte man leicht die Richtung verlieren. Nach einigem Zögern vertraute ich meine Bedenken Yurgon an, der mein Nebenmann war.
Er zuckte bloß die Achseln. »Die Gefahr ist nicht groß. Die meisten Raubtiere greifen Libellen nur in Not an. Sie sind ihnen zu dürr, und ihr Fleisch schmeckt ihnen nicht. Und von der Route können wir kaum abkommen – siehst du den Schimmer dort?«
Er zeigte auf einen matt grünlich leuchtenden Fleck, so schwach, daß er mir nicht aufgefallen wäre, hätte Yurgon mich nicht auf ihn aufmerksam gemacht. Es schien eine phosphoreszierende Substanz zu sein. Ich nickte und fragte ihn, was es damit auf sich habe.
»Es ist ein Schleim, der von den großen Leuchtkäfern der unteren Gegenden abgesondert wird«, sagte er. »Bei Tag sieht man ihn nicht, aber bei Nacht leuchtet er ein gutes Stück weit. Wir haben unsere wichtigsten Routen damit markiert. Leute wie wir müssen immer beweglich sein.«
Wir flogen länger als eine Stunde. Überflüssig zu sagen, daß ich keine Ahnung hatte, wo wir waren und in welche Richtung wir flogen, denn ich hatte bereits jede Orientierung verloren, als die Banditen uns aus den Armen der Vampirblüte befreit und zu ihrer Höhle transportiert hatten. Aber gegen Ende unseres Flugs bemerkte ich, daß das Tempo langsamer und die Ausweichmanöver häufiger wurden, weil das Geflecht der Äste und Zweige um uns den freien Luftraum mehr und mehr einengte, bis die Laubmassen kaum noch ein Durchkommen zu erlauben schienen.
Schließlich landeten wir in der Mulde einer breiten Astgabel, die einen Regenwasserteich von annähernd fünfzig Metern Durchmesser enthielt. Ein mit dunkelbraunen Stoffbahnen verhängter Höhleneingang in der Seite des Stamms führte offenbar ins verborgene Hauptquartier der Bande. Die Tarnung war nahezu vollkommen, und es war klar, daß man den entlegenen Standort im dichtesten Wald mit Bedacht ausgewählt hatte. Wie ich später erfuhr, war sogar der Natur nachgeholfen worden, um die Astgabel mit ihrem Landeplatz, dem Trinkwasserreservoir und dem Höhleneingang gegen neugierige Blicke abzuschirmen. Wo immer das natürliche Wachstum Durchblicke freigelassen hatte, hatten die Bewohner des Baums nachgeholfen, um die Öffnungen zu schließen, hatten Zweige und dünne Äste mit langen Stricken zurechtgebogen und angebunden, bis sie mit der Zeit so fest gewachsen waren.
Wir saßen im Dunkeln ab, nicht weit vom Ufer des Teichs, die Männer banden ihre Reittiere fest und nahmen ihnen Sättel und Lasten ab. Es war so finster, daß ich nicht sehen konnte, wohin meine Füße traten, aber niemand machte Licht. Auch der Höhleneingang, in den sie ihre Ausrüstung und Jagdbeute trugen, blieb dunkel. Nicht der feinste Lichtschimmer eines Feuers verriet das Versteck der Bande. Ihr Überleben hing zu einem guten Teil davon ab, daß sie ungesehen und ihr Hauptquartier unbekannt blieb; und die Bande hatte das Überleben oft genug geübt und zu einer Kunst gemacht.
Yurgon führte uns durch die Finsternis zur Höhle und schob eine Bahn des borkenfarbenen Vorhangs zur Seite. Unmittelbar hinter dem Vorhang war ein massives, zweiflügeliges Tor mit dicken Balkenriegeln, das von zwei Bewaffneten bewacht wurde. Rechts und links führten schmale, grob ausgehauene Treppenaufgänge zu einem kurzen Wehrgang mit Schießscharten, der zur Verteidigung des Tors diente. Wir traten ein und kamen in einen kurzen und breiten, schwach
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