Der grüne Stern
Röcke wirbelten und lange nackte Beine zeigten. Trinksprüche wurden gebrüllt, heisere Stimmen überschlugen sich in derben Witzen und Anspielungen, die mit tobendem Gelächter quittiert wurden. Weiße Zähne blitzten in dunklen, lachenden Gesichtern. Der Wein, der Lärm, die heftige, schnelle Musik, die im Tanz herumwirbelnden Gestalten, die keine Ermüdung zu kennen schienen, die kreischenden und tobenden Kinder, auch sie vom Wein befeuert, den sie aus den Trinkbechern der nachsichtigen Eltern stibitzten, die glühende Hitze des knatternden Freudenfeuers – alles das machte mich irgendwann im Lauf des Abends ganz plötzlich sehr sehr müde.
Yurgon hatte uns im Auge behalten, wie sich bald zeigte. Nach einem dritten herzhaften Gähnen erschien er auf einmal neben uns und zeigte zu den Galerien der Wohnhöhlen.
»Es ist spät«, rief er lachend, »und der Morgen ist nah. Kommt!« Er führte uns durch die Halle zu einer der Türöffnungen; und die erste Schwierigkeit – Ergebnis unserer erfundenen Geschichte -kam auf uns zu: die ausgehauene Kammer hatte nur ein Bett -wenn auch ein breites.
Niamh errötete, und ihre Augen mieden meinen Blick. Yurgon, der es bemerkte, hakte seinen Daumen in den Gürtel, warf seinen Kopf zurück und lachte schallend.
»Soviel Züchtigkeit bei Liebenden muß selten sein!« erklärte er belustigt. »Ich habe jedenfalls noch nie davon gehört. Kommt, wir haben hier keine Priester – es ist Zeit, daß die Röte keuscher Jungfräulichkeit zur hitzigen Glut der Liebenden angefacht wird!« Er lachte, dann zwinkerte er uns zu und ging.
Ich machte ein entschlossenes Gesicht. Es blieb nichts anderes übrig als diese Sache durchzustehen. Wir durften die Glaubwürdigkeit unserer Geschichte nicht aufs Spiel setzen, indem wir uns weigerten, das Bett miteinander zu teilen. Nachdem ich Niamh diese Überlegung zugemurmelt hatte, ging sie in die Kammer, stieg ins Bett und ließ sich auf der entferntesten Ecke der Matratze nieder, wo sie mit angezogenen Beinen sitzen blieb, den Rücken an der Wand, den Kopf auf ihren Knien.
Ich sah, daß die Türöffnung mit einer Bastmatte verschlossen werden konnte, die hochgezogen und eingerollt war. Erleichtert löste ich die Schnur, von der sie gehalten wurde, und ließ die Matte herab. Sie konnte zwar nicht den Lärm fernhalten, aber sie sorgte für eine gewisse Abgeschiedenheit und dämpfte den flackernden Feuerschein. Ich zog meine Stiefel aus, versicherte Niamh, daß sie nichts zu befürchten habe, und nach einigem guten Zureden sah sie ein, daß es keinen Sinn hatte, den Rest der Nacht sitzend zu verbringen. Und so legten wir uns nieder, um etwas Schlaf zu finden, zimperlich darauf bedacht, auch die leichteste Berührung zu vermeiden. Natürlich zogen wir uns nicht aus, sondern schliefen in unseren Kleidern. Ich lag steif auf meiner Hälfte der Matratze, den Lärm und das Geschrei und die Musik klang mir in den Ohren; ich war beunruhigt durch Niamhs Nähe und dem leisen Rhythmus ihres Atmens, bis ich schließlich einschlummerte. Ich schlief in dieser Nacht nicht sehr gut.
15. Ich mache mir einen Feind
Das Rascheln der Bastmatte weckte mich aus meinem unruhigen Schlummer. Ich fühlte einen warmen Druck an Schulter und Seite, und als ich vorsichtig meinen Kopf drehte, sah ich, daß Niamh an mich geschmiegt neben mir lag. Sie mußte im Schlaf herübergerollt sein, und nun lag ihr Kopf auf meiner Schulter, ein Arm war über meine Brust geworfen, und eins ihrer schlanken Beine ruhte zwischen meinen. Die Situation war peinlich; mein Herz begann gegen die Rippen zu hämmern, und ich genoß die Erregung, die ihre Nähe und der Druck ihres warmen Körpers bei mir auslösten. Sie schlief fest und ohne etwas von der kompromittierend intimen Position zu ahnen, in die ihre unbewußten Bewegungen uns während des Schlafs gebracht hatten.
Ein kehliges Glucksen riß mich aus der träumerischen Betrachtung ihrer etwas zerzausten Lieblichkeit. Es war ein unterdrücktes Grunzen, das etwas Unflätiges und Gemeines an sich hatte. Ich wandte meinen Kopf, um den Ursprung des Geräuschs zu entdecken.
Jemand hatte die Matte zur Seite geschoben und stand am Eingang unserer Kammer. Ich erkannte ihn auf den ersten Blick. Es war einer der Jäger, ein Mitglied der Gruppe, die Niamh und mich aus der mörderischen Umarmung der Vampirpflanze gerettet hatte. Ich konnte mich nicht gleich an seinen Namen erinnern, aber später hörte ich, daß er Sligon genannt wurde. Er war ein
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