Der Grüne Strahl
selbst mit
den Dunstmassen, die er aussendet, durch die er die Quel-
len speist, die ihm als Flüsse wieder zuströmen, oder die
er unmittelbar als aus seinem Busen hervorgegangenen Re-
gen wieder aufnimmt. Ja, der Ozean, das ist die Unendlich-
keit, wie der Weltraum, der sich in seinen Wellen widerspie-
gelt.«
»Ich liebe es, Sie mit solchem Enthusiasmus reden zu hö-
ren, Mr. Sinclair«, antwortete Miss Campbell, »und ich teile
diesen Enthusiasmus. Ja, ich liebe das Meer ebenso, wie Sie
es nur lieben können!«
»Und Sie würden auch vor den Gefahren, die es zuweilen
bietet, nicht zurückschrecken?« fragte Olivier Sinclair.
»Nein, wirklich, ich hätte keine Furcht! Kann man denn
fürchten, was man bewundert?«
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»Sie hätten es auch unternommen, als kühne Reisende in
die Welt zu ziehen?«
»Vielleicht, Mr. Sinclair«, erwiderte Miss Campbell. »Je-
denfalls ziehe ich unter allen Reiseberichten, die ich gele-
sen habe, die vor, deren Zweck und Ziel Entdeckungen in
fernen Meeren waren. Wie oft hab’ ich sie mit den großen
Seefahrern besucht! Wie viele Male bin ich nicht mit vor-
gedrungen in diese unbekannten Welten, freilich nur in Ge-
danken; aber ich kenne doch nichts Beneidenswerteres, als
die Aufgaben jener Helden, die so Großes geleistet haben.«
»Ja, Miss Campbell, was gibt es in der Geschichte der
Menschheit Erhebenderes und Schöneres als jene Ent-
deckungen! Zum ersten Mal den Atlantischen Ozean zu
durchfurchen mit Kolumbus, das Stille Meer mit Magel-
lan, die Polarmeere mit Parry, Franklin, d’Urville und an-
deren – welche Träume! Ich kann kein Schiff auslaufen se-
hen, weder ein Kriegsschiff, noch ein Handelsfahrzeug, ja
nicht einmal die kleinste Fischerschaluppe, ohne mein gan-
zes Sein und Wesen darauf mit einzuschiffen. Ich glaube
zum Seemann geboren zu sein, und wenn diese Laufbahn
nicht von Jugend auf die meinige wurde, so bedaure ich es
jeden Tag!«
»Aber Sie haben doch wenigstens Seereisen gemacht?«
fragte Miss Campbell.
»So viel ich konnte, ja«, antwortete Olivier Sinclair. »Ich
habe zum Beispiel das Mittelmeer besucht von Gibraltar bis
zu den Grenzen des Morgenlands, ein wenig den Atlanti-
schen Ozean bis Nordamerika, dazu die nördlichen Meere
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Europas, und ich kenne all die Gewässer, mit denen die Na-
tur England so freigebig ausgestattet hat . . .«
»Und so prächtig dazu, Mr. Sinclair«
»Jawohl, Miss Campbell. Ich kenne nichts, was mit der
Umgebung unserer Hebriden zu vergleichen wäre, zu de-
nen dieser Dampfer uns hinführt. Das ist ein wirklicher Ar-
chipel, dessen Himmelsbläue vielleicht matter glänzt, als die
des Orients, der dafür aber in seinen wilden Felsengebilden
und dem sozusagen duftigen Horizont mehr Poesie besitzt
als jener.
Die Inselwelt Griechenlands hat eine große Gesellschaft
Götter und Göttinnen geboren, zugegeben! Sie werden da-
gegen leicht bemerken, daß das sehr bürgerliche Gottheiten
waren, so greifbare Gestalten mit sehr materiellem Leben,
die ihre kleinen Geschäfte haben und über ihre Ausgaben
Buch führen. Meiner Empfindung nach gleicht der Olymp
einem mehr oder weniger gut ausgestatteten Salon, in dem
sich die Götter versammelten, die etwas gar zu sehr jenen
Menschen ähnelten, deren Schwachheiten sie teilten. Nicht
so ist es mit unseren Hebriden! Sie sind die Wohnung über-
natürlicher Wesen. Die immateriellen, ätherischen skandi-
navischen Gottheiten haben keine greifbare Form, keine
Körper. Odin, ebenso wie Ossian und Fingal und die ganze
Schar jener poetischen Phantome – alle sind sie aus Über-
lieferungen der Sagas hervorgegangen. Wie schön sie sind,
diese Gestalten, deren Erscheinung unsere Phantasie in-
mitten der Nebel des Nordmeers hervorzurufen, die sie im
Schnee der hyperboreischen Regionen zu gewahren ver-
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mag! Das ist ein weit göttlicherer Olymp als der des alten
Griechenlands. Diesen entstellt nichts Irdisches, und wenn
man solchen Wesen würdige Wohnstätten suchen wollte,
könnte es nur das Meer der Hebriden sein. Ja, Miss Camp-
bell, hierher trieb es mich selbst, unsere Gottheiten zu ver-
ehren, und als echtes Kind des alten Kaledonien würde ich
unseren Archipel mit seinen 200 Inseln, seinem bedeck-
ten Himmel, seinen auf- und abwallenden, vom Golfstrom
freundlich erwärmten Fluten, niemals gegen alle Archipele
des Morgenlands vertauschen!«
»Und der gehört uns, den Schotten der
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