Der Grüne Strahl
Hochlande!«
antwortete Miss Campbell, ganz entflammt von den Wor-
ten des jungen Mannes. »Uns, den Schotten aus der Graf-
schaft Argyle! Oh, Mr. Sinclair, ich bin wie Sie leidenschaft-
lich eingenommen für unsere kaledonische Inselwelt. Sie ist
so schön und ich liebe sie, wenn auch der Sturm sie durch-
tobt.«
»Ja, sie sind göttlich, jene Inselmauern«, erklärte Olivier
Sinclair. »Nichts bricht die Wut der Windstöße, die sich nach
3.000 Meilen langem Lauf auf sie stürzen. Nur die amerika-
nische Küste dehnt sich gegenüber der Küste Schottlands
aus. Wenn dort auf der anderen Seite des Atlantiks die
furchtbaren Stürme des Ozeans aufbrausen, – hier donnern
die Wogen und der Wind zuerst an das westliche Europa! –
Doch was vermögen sie gegen unsere Hebriden, die mutiger
sind, als der Mann, von dem Livingstone spricht, der die Lö-
wen nicht fürchtete, vor dem Ozean sich jedoch ängstigte,
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diese fest auf ihrem granitnen Fundament aufgetürmten In-
seln, die der Wut des Orkans und des Meeres spotten . . .«
»Das Meer! . . . Eine chemische Verbindung aus Wasser-
stoff und Sauerstoff sowie 2 1/2 Prozent Kochsalz! Ja, es gibt
nichts Schöneres als das Wüten von Kochsalz!«
Miss Campbell und Olivier Sinclair hatten sich umge-
dreht, als sie diese, offenbar für sie gemeinten Worte ver-
nahmen, die gewissermaßen als Antwort auf ihren Enthu-
siasmus gelten konnten. Aristobulos Ursiclos befand sich
auch auf der Kommandobrücke.
Der Unglückselige hatte dem Wunsch, Oban zu glei-
cher Zeit mit Miss Campbell zu verlassen, nicht widerste-
hen können, da er ja wußte, daß Olivier Sinclair sie nach
Iona begleitete. Schon vor ihnen auf dem Schiff, hatte er
sich während der ganzen Überfahrt im Salon der ›Pioneer‹
aufgehalten und kam erst jetzt, in Sicht der Insel, von dort
hervor.
Das Wüten von Kochsalz! Welcher Dolchstoß in den
schönen Traum von Olivier Sinclair und Miss Campbell!
14. KAPITEL
Das Leben auf Iona
Inzwischen tauchte Iona – mit seinem alten Namen ›die In-
sel der Wogen‹ – der Abbey Hill in der Mitte etwa 400 Fuß
über die Meeresoberfläche emporragend, mehr und mehr
auf, und der Dampfer näherte sich ihr in raschem Flug.
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Gegen Mittag legte die ›Pioneer‹ dort an, an einem aus
kaum behauenen Steinen errichteten Hafendamm, den das
oftmals darüber spülende Wasser im Lauf der Zeit ganz
grün gefärbt hatte. Die Passagiere gingen an Land, die ei-
nen, und zwar die Mehrzahl, um sich schon nach 2 Stun-
den wieder einzuschiffen und durch die Meerenge von Mull
nach Oban zurückzukehren, die anderen in kleinerer Zahl,
wir wissen ja welche, mit der Absicht, auf Iona zu bleiben.
Die Insel besitzt keinen eigentlichen Hafen. Ein Stein-
wall schützt eine der kleinen Einbuchtungen gegen die he-
ranrollenden Wellen – nichts weiter. Hierher flüchten sich
während der schönen Jahreszeit einige Vergnügungsyachten
und Fischerboote, die das benachbarte Meer ausbeuten.
Miss Campbell und ihre Begleiter, welche die übrigen
Touristen ihrem Programm, die Insel binnen 2 Stunden zu
sehen, ruhig überließen, beschäftigten sich damit, zunächst
ein geeignetes Unterkommen zu finden.
Die Bequemlichkeit und Pracht der vornehmen Kurorte
des Vereinigten Königreichs durfte man hier freilich nicht
erwarten.
Iona mißt nämlich nur 3 Meilen in der Länge, bei 1 Meile
Breite und zählt kaum 500 Einwohner. Der Herzog von Ar-
gyle, dem es gehört, bezieht davon eine Rente von nur we-
nigen hundert Pfund Sterling. Hier gibt es weder eine ei-
gentliche Stadt, noch einen Flecken, ja nicht einmal ein
wirkliches Dorf; man trifft nur wenige verstreut liegende
Häuser, die meisten einfache Hütten, die wohl malerisch zu
nennen sind, aber sich oft in sehr baufälligem Zustand be-
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finden, meist keine Fenster haben, sondern einzig und al-
lein durch die Tür Licht empfangen, verfallene Nester ohne
Rauchfang, dafür mit einer Öffnung im Dach, mit Mau-
ern von Lehm und Stroh, umgeben von Hecken aus Rosen
und Heidekraut, die mit langen Seetangstengeln verbunden
sind.
Wer würde glauben, daß Iona zu Anfang der skandina-
vischen Geschichte die Wiege der Religion der Druiden ge-
wesen ist? Wer könnte ahnen, daß später, im 6. Jahrhun-
dert, der heilige Kolumban – ein Ire, dessen Namen jenes
auch trägt – dort zum Unterricht in der neuen Religion
Christi das erste Kloster Schottlands
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