Der Grüne Strahl
weniger lebhaften Wunsch zu er-
kennen gab, gleichzeitig mit Glasgow dem Geräusch einer
großen Industriestadt, dem geschäftlichen Treiben, das zu-
weilen bis in das Viertel des Blythswood Square flutete, zu
entfliehen, endlich wieder einen weniger verqualmten Him-
mel zu sehen und eine weniger mit Kohlensäure überladene
Luft zu atmen, als den Himmel und die Luft dieser alten
Metropole, deren kommerzielle Bedeutung die Tabaksgra-
fen, ›Tobacco Lords‹, vor Jahrhunderten begründet haben.
Das ganze Haus, Herren und Dienerschaft, reiste also
nach dem höchstens 20 Meilen entfernten Landsitz ab.
Es ist ein hübscher Ort, das Städtchen Helensburgh. Man
hat es zu einem Kurort gemacht, der häufig von denen auf-
gesucht wird, die in der glücklichen Lage sind, ihre gewohn-
ten Spaziertouren am Clyde mit einem Ausflug an den von
allen Vergnügungsreisenden hochgeschätzten Katrine-See
oder an den Lomond-See zu vertauschen.
Eine Meile vom Städtchen, am Ufer des Loch Gare, hat-
ten die Brüder Melvill den reizendsten Platz ausgewählt,
um dort ihr Landhaus zu errichten. Es lag hier versteckt
in prächtigen Bäumen, mitten in einem Netz klarer Wasser-
adern, auf wechselndem Terrain, das sich zur Anlegung
eines Parks ganz besonders eignete. Erquickende schat-
tige Partien, frisch grünender Rasen, verschiedene Baum-
gruppen, Blumenbeete, Wiesen, auf denen ausgezeichnetes
Futter für die zur Belustigung gehaltenen Lämmer wuchs,
Teiche mit klaren dunklen Wasserflächen, bevölkert von
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wilden Schwänen, von jenen graziösen Vögeln, über die
Wordsworth gesagt hat: »Der Schwan schwimmt zweimal –
der Schwan und sein Schattenbild!«
Mit einem Wort, was die Natur nur vereint bieten kann,
um das Auge zu ergötzen, ohne daß des Menschen Hand
viel daran zu schaffen hat – so war der Sommersitz der
reichbegüterten Familie.
Wir dürfen nicht vergessen hinzuzufügen, daß der über
dem Loch Gare liegende Teil des Parks eine wirklich ent-
zückende Aussicht bot. Jenseits des beschränkten Golfs zur
Rechten wurde der Blick zuerst gefesselt von der Halbinsel
Rosenheat, auf der sich eine dem Herzog von Argyle gehö-
rende Villa in italienischem Stil erhob.
Zur Linken begleitete die vordere Häuserreihe des Städt-
chens Helensburgh die Wellenlinie des Strands, ragten zwei
oder drei Türme empor, streckte sich der elegante Pier aus,
der als Anlegeplatz für Dampfboote in den See hinausge-
baut ist, und stieg endlich der hüglige Hintergrund, den da
und dort verstreute freundliche Besitzungen belebten, ter-
rassenförmig in die Höhe. Geradeaus, am linken Ufer des
Clyde, bildeten Port Glasgow, die Ruinen des Schlosses
Newark und Greenock mit seinem buntbewimpelten Mas-
tenwald ein abwechslungsreiches Panorama, von dem sich
das Auge nur ungern trennte.
Diese Aussicht gewann noch an Reiz, wenn man den
Hauptturm des Landhauses erstieg, von wo aus eine weite
Strecke bis zum Horizont zu überschauen war.
Diesen viereckigen Turm, mit leichten, an drei Ecken
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seiner Plattform angesetzten Ausbauten, mit seinen Zin-
nen und Schießscharten, den auch ein Gürtel ausgezahn-
ter Steine umschloß, überragte an der vierten Ecke noch ein
achtseitiges Türmchen. Hier erhob sich der Flaggenmast,
den man in dieser Gegend überhaupt auf dem Dach jedes
Hauses ebenso sicher wiederfindet, wie am Heck der Schiffe
des Vereinigten Königreichs. Diese Art Donjon neueren Da-
tums beherrschte also sämtliche zum eigentlichen ›Cottage‹
gehörenden Baulichkeiten mit ihren unregelmäßigen Dä-
chern, den fast nach Gutdünken angebrachten Fenstern, den
vielförmigen Vorbauten, mit den die Fenster umrahmenden
Gesimsen und den am oberen Ende verzierten Schornstei-
nen, alles in allem geschmackvolle Phantasien, welche die
angelsächsische Architektur überhaupt liebt.
Hier auf der Plattform des oberen Turms, unter der Na-
tionalflagge, die sich bei der Brise vom Firth of Clyde ent-
faltete, verträumte Miss Campbell gern manche Stunde
des Tages. Sie hatte sich da oben ein reizendes Plätzchen
zurechtgemacht, wo sie – in der freien Luft wie auf einer
Sternwarte – bei jeder Witterung, geschützt vor Wind, Son-
nenbrand und Regen, lesen, schreiben und schlummern
konnte. Hier mußte man sie meistens suchen. Befand sie
sich nicht hier, dann ging sie ihrer Neigung folgend in den
Alleen des Parks spazieren, allein oder in Begleitung von
Mrs. Bess, wenn ihr
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