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Der Grüne Strahl

Der Grüne Strahl

Titel: Der Grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Himmel je-
    mals unsere Beobachtung begünstigt, so ist es heute der
    Fall! Keine Wolke, kein Dunstflöckchen! Es ist auch sehr
    unwahrscheinlich, daß die eine oder das andere erscheinen
    könnte, da der gestrige gewaltige Sturm sie weit nach Os-
    ten vertrieben haben muß. Und Miss Campbell denkt gewiß
    nicht daran, daß der heutige Tag ihr einen glänzenden Son-
    nenuntergang bescheren dürfte. Ich muß . . . ja . . . ich muß
    sie benachrichtigen!«
    Glücklich, einen so natürlichen Grund gefunden zu ha-
    ben, sich zu Helena zu begeben, kehrte Olivier Sinclair zur
    Clam-Shell-Grotte zurück.
    Wenige Augenblicke später stand er Miss Campbell und
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    den beiden Onkeln gegenüber, die ihn liebevoll betrachte-
    ten, während Mrs. Bess deren Hand hielt.
    »Miss Campbell«, sagte er, »es geht Ihnen besser? . . . Ich
    seh’ es . . . sind Sie wieder bei Kräften?«
    »Ja, Mr. Olivier«, antwortete Miss Campbell, beim Erbli-
    cken des jungen Mannes leise erzitternd.
    »Ich glaube, es würde Ihnen guttun«, fuhr Olivier Sinclair
    fort, »wenn Sie sich auf das Plateau begeben und die durch
    den Sturm gereinigte Luft genießen wollten. Die Sonne ist
    herrlich und wird Sie wieder erwärmen.«
    »Mr. Sinclair hat recht«, sagte Bruder Sam.
    »Ja, völlig recht«, fügte Bruder Sib hinzu.
    »Und wenn ich Ihnen alles verraten darf, wenn meine
    Ahnung mich nicht trügt«, ergriff Olivier Sinclair das Wort,
    »glaube ich, daß Sie binnen wenigen Stunden den teuersten
    Ihrer Wünsche in Erfüllung gehen sehen werden.«
    »Den teuersten meiner Wünsche?« murmelte Miss
    Campbell, als wenn sie nur mit sich selbst gesprochen
    hätte.
    »Ja . . . der Himmel ist von wunderbarer Reinheit und
    allem Anschein nach zu erwarten, daß die Sonne bei ganz
    wolkenlosem Horizont untergehen wird.«
    »Wär’s möglich!« rief Bruder Sam.
    »Wär’s möglich!« wiederholte Bruder Sib.
    »Ich habe alle Ursache zu glauben«, fügte Olivier Sinclair
    hinzu, »daß Sie heute abend den Grünen Strahl beobachten
    werden können.«
    »Den Grünen Strahl!« antwortete Miss Campbell.
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    Es schien, als ob sie in ihrem etwas verwirrten Gedächt-
    nis erst nachforschen müsse, was es mit diesem Strahl für
    eine Bewandtnis hatte.
    »Ah, ganz recht!« sagte sie nach kurzer Pause. »Wir sind
    ja eigentlich hergekommen, um den Grünen Strahl zu se-
    hen!«
    »Nun denn, vorwärts!« sagte Bruder Sam, entzückt über
    die sich bietende Gelegenheit, das junge Mädchen ihrem
    Stumpfsinn zu entreißen, der sie zu erstarren drohte, »be-
    geben wir uns auf die andere Seite der Insel!«
    »Und wir speisen erst nach der Rückkehr«, fügte Bruder
    Sib heiter hinzu.
    Es war jetzt 5 Uhr nachmittags.
    Unter der Führung Olivier Sinclairs verließ die ganze Fa-
    milie, Mrs. Bess und Patridge inbegriffen, die Clam-Shell-
    Grotte, stieg die Holztreppe hinauf und gelangte damit auf
    den Rand des oberen Plateaus.
    Da hätte man die Freude der beiden Onkel sehen müs-
    sen, als sie den wundervollen Himmel überblickten, an dem
    die Sonne langsam herabsank. Vielleicht übertrieben sie
    heute – aber niemals, nein niemals zeigten sie so viel En-
    thusiasmus für die erwartete Erscheinung. Es hatte das An-
    sehen, als wenn um ihrer selbst, nicht um Miss Campbells
    willen alle diese Ortsveränderungen mit den unausbleib-
    lichen Mißhelligkeiten unternommen worden wären, von
    der Abreise aus Helensburgh auf dem Weg über Oban und
    Iona bis nach Staffa.
    In der Tat versprach aber auch der heutige Sonnenunter-

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    gang so herrlich zu werden, daß der unempfindlichste, der
    nüchternste und prosaischste aller Kaufleute der City von
    London oder aller Großhändler der Canongate das Mee-
    respanorama, wie es sich hier vor aller Augen ausbreitete,
    hätte bewundern müssen.
    Miss Campbell fühlte sich bald wie neugeboren in die-
    ser mit den Salzausdünstungen, die der leichte Wind mit
    sich führte, geschwängerten Atmosphäre. Weit öffneten sich
    ihre schönen Augen, wenn sie auf die ersten Wasserflächen
    des Atlantischen Ozeans hinausblickte. Auf ihre durch Er-
    schöpfung erbleichten Wangen kehrte die rosige Färbung
    ihres schottischen Teints zurück. Wie schön sie doch war!
    Welch ein anziehender Reiz ihre Gestalt schmückte! Olivier
    Sinclair ging etwas hinter ihr und betrachtete sie schwei-
    gend, und er, der sie sonst ohne beklemmendes Gefühl auf
    ihren langen Spaziergängen begleitete, wagte in seiner jet-
    zigen

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