Der grüne Strahl
verdoppelt wurde.
Einen gewissen Verdacht hätte Frau Beß indessen schöpfen können, als Miß Campbell sie fragte, ob sie vielleicht in Oban den jungen Mann wiedergesehen habe, dem der »Glengarry« so zur rechten Zeit Unterstützung und Hilfe gebracht hatte.
»Nein, Miß Campbell, erwiderte Frau Beß, er muß wohl gleich wieder abgereist sein, aber Patridge glaubt ihn bemerkt zu haben…
– Wann denn?
– Gestern, auf dem Wege nach Dalmaly. Er soll da, mit einer Art Ranzen auf dem Rücken, gleich einem reisenden Künstler gekommen sein. O, das ist ein unbesonnener Mensch, dieser junge Mann! Sich so in den Strudel von Corryvrekan hineinziehen zu lassen, das ist von übler Vorbedeutung für seine Zukunft! ‘s wird nicht allemal ein Schiff bei der Hand sein, ihm Hilfe zu bringen, und er wird noch zeitig genug Unglück haben.
– Glaubst Du das, Frau Beß? Wenn er aber unbesonnen war, so hat er sich wenigstens muthvoll erwiesen, denn in jenen gefährlichen Minuten schien ihm die Kaltblütigkeit keinen Augenblick verloren gegangen zu sein.
– Mag sein; jedenfalls aber, Miß Campbell, nahm Frau Beß wieder das Wort, hat jener junge Mann nicht erfahren, daß Sie es waren, der er seine Rettung hauptsächlich verdankt, sonst hätte er sich doch wohl am Tage nach seiner Ankunft in Oban eingestellt, Ihnen seinen Dank abzustatten….
– Sich bei mir bedanken? antwortete Miß Campbell. Und warum? Ich habe für ihn nur gethan, was ich für jeden Anderen ebenfalls und, glaube mir, was auch jeder Andere an meiner Stelle gethan hätte.
– Würden Sie ihn wiedererkennen? fragte Frau Beß, das junge Mädchen schärfer ansehend.
– Ja, erklärte Miß Campbell offenherzig, und ich gestehe, daß der Charakter, der sich an ihm verrieth, der ruhige Muth, den er bei seinem Erscheinen auf Deck an den Tag legte, als ob er gar nicht eben dem Tode entronnen wäre, die warm empfundenen Worte, welche er an seinen bejahrten Begleiter richtete, während er ihn umarmte, daß alles das mich ergriffen hat.
– Meiner Treu, antwortete die würdige Frau, wem er ähnelt, das könnte ich allerdings nicht sagen; aber jedenfalls ähnelt er nicht jenem Herrn Aristobulos Ursiclos!«
Miß Campbell lächelte, ohne darauf zu antworten, erhob sich, blieb noch einen Moment, einen Blick nach den fernen Anhöhen der Insel Mull werfend, unbeweglich stehen und stieg dann, gefolgt von Frau Beß, den kahlen Fußpfad hinab, der nach der Straße von Oban führte.
An diesem Abende versank die Sonne in einer Art leuchtenden Staubes, der so leicht war, wie mit Zinnflittern übersäeter Tüll, und ihr letzter Strahl erlosch schon im Abenddunkel.
Miß Campbell kehrte nach dem Hôtel zurück, that dem Diner, welches die Brüder Melvill ganz nach ihrem Geschmacke bestellt hatten, sehr wenig Ehre an, und zog sich, nach kurzem Spaziergange auf dem Strande, in ihr Zimmer zurück.
Zehntes Capitel.
Eine Partie Croquet.
Die Brüder Melvill – wir müssen es wohl gestehen – singen allmählich an die Tage zu zählen, wenn sie nicht schon dabei waren, nach Stunden zu rechnen. Die Sache nahm nicht den von ihnen gewünschten Verlauf. Die sichtbare Langweile ihrer Nichte, das sie erfüllende Bedürfniß, allein zu sein, das wenig einladende Auftreten gegen den hochgelehrten Ursiclos, an welchem dieser vielleicht weniger Anstoß nahm, als sie selbst, alles Das war nicht gerade geeignet, den Aufenthalt in Oban zu einem angenehmen zu machen. Sie wußten gar nicht, was sie beginnen sollten, diese lästige Eintönigkeit zu unterbrechen. Vergeblich beobachteten sie die geringsten atmosphärischen Veränderungen und sagten sich zum Troste, daß Miß Campbell nach Erfüllung ihres Wunsches fügsamer und – für sie wenigstens – zugänglicher sein werde.
Seit zwei Tagen vergaß die noch mehr als früher träumerische Helena sogar, ihnen den gewohnten Morgenkuß zu bieten, der den beiden Junggesellen erst für den Rest des Tages die gute Laune sicherte.
Das gegen alle Drohungen und gelinden Wuthausbrüche der beiden Onkels ganz unempfindliche Barometer zeigte nicht die geringste Andeutung eines bevorstehenden Witterungsumschlages. Wenn sie auch nicht unterließen, täglich wohl zehnmal daran zu klopfen, um ein Oscilliren der Nadel zu erleichtern – die Nadel rührte sich nicht vom Flecke. O, diese Barometer können Einen zum Verzweifeln bringen!
Miß Campbell’s Auge ruhte auf dem herrlichen Bilde… (S. 68.)
Da kam den Brüdern Melvill ein erlösender
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