Der grüne Strahl
im unteren Saale des »Panzer Duncan’s« verabschieden wollte, erklärte Miß Campbell:
»Wir reisen morgen ab, ich bleibe keinen Tag mehr hier!
– Ganz einverstanden, meine liebe Helena, antwortete Bruder Sam, doch wohin werden wir gehen?
– Dahin, wo wir sicher sind, diesen Herrn Ursiclos nicht wieder anzutreffen. Es ist also von Wesenheit, Niemand erfahren zu lassen, sowohl daß wir von Jona weg-, noch auch wohin wir gehen.
– Ganz recht, meinte Bruder Sib; aber, liebe Tochter, wie sollen wir abreisen und wohin uns wenden?
– O, rief Miß Campbell, wir sollten nicht mit Tagesanbruch ein Mittel finden, diese Insel zu verlassen? Das Ufer Schottlands böte uns keinen unbewohnten, noch lieber unbewohnbaren Punkt, wo wir unserer Beobachtung in Frieden nachgehen könnten?«
Die beiden Brüder wenigstens hätten auf diese doppelte, übrigens in einem Tone gestellte Frage, der keine Ausflucht gestattete, nicht zu antworten vermocht. Zu ihrem Glücke war Olivier Sinclair noch bei der Hand.
»Miß Campbell, sagte er, das läßt sich Alles arrangiren, und zwar wie folgt: nicht weit von hier bietet sich eine, für unsere Beobachtung höchst geeignete Insel, eigentlich nur ein Eiland, und da wird kein Störenfried uns nahen.
– Welche meinen Sie?
– Nun Staffa, das Sie höchstens zwei Meilen im Norden von Jona wahrnehmen können.
– Ist es möglich, dort zu leben und dahin zu gelangen? fragte Miß Campbell.
– Gewiß, versicherte Olivier Sinclair, und noch dazu ganz leicht. Im Hafen von Jona hab’ ich eine jener Yachten gesehen, welche immer bereit sind, in See zu gehen, eine Yacht, wie man deren während der schönen Jahreszeit ja in allen englischen Häfen findet. Der Capitän derselben wie die Mannschaft stehen dem ersten besten Touristen zur Verfügung, der ihre Dienste in Anspruch nimmt, um nach dem Canal, nach der Nordsee oder nach Irland zu gehen. Nun, wer hindert uns, diese Yacht zu heuern, auf derselben, da Staffa selbst keine Hilfsquellen bietet, für vierzehn Tage Proviant einzuschiffen und morgen mit dem ersten Tagesgrauen davonzusegeln?
– Herr Sinclair, antwortete Miß Campbell, wir werden morgen heimlich diese Insel verlassen haben, und seien Sie überzeugt, daß ich mich Ihnen zu großem Danke verpflichtet fühlen werde.
– Morgen, im Laufe des Vormittags, vorausgesetzt, daß sich nur eine leichte Morgenbrise erhebt, werden wir schon auf Staffa sein, versicherte Olivier Sinclair, und abgesehen von dem gewöhnlichen Besuche der Touristen, der zweimal in der Woche etwa eine Stunde dauert, werden wir daselbst von keiner lebenden Seele gestört sein.«
Nach gewöhnlicher Sitte erklangen sofort wieder alle Rufnamen der Frau Beß.
»Bet!
– Beth!
– Beß!
– Betsey!
– Betty!«
Frau Beß erschien auf der Stelle.
»Wir reisen morgen ab, sagte Bruder Sam.
– Morgen ganz früh!« setzte Bruder Sib hinzu.
Ohne sich darüber eine weitere Frage vorzulegen, beschäftigten sich Frau Beß und Patridge gleich darauf mit den Vorbereitungen zum Aufbruch.
Inzwischen begab Olivier Sinclair sich nach dem Hafen und verhandelte daselbst mit John Olduck.
John Olduck war der Capitän der »Clorinda«, ein richtiger Seemann, bekleidet mit der traditionellen Mütze mit Goldborte, einer Art Jacke mit Metallknöpfen und mit Beinkleidern aus blauem Tuch. Nach Abschluß des Vertrags ging dieser sofort daran, mit seinen sechs Leuten alles zum Auslaufen klar zu machen. Diese sechs Matrosen waren eigentlich Fischer, versahen aber während des Sommers den Dienst auf diesen Yachten so vortrefflich, daß sie allen Seeleuten der Welt hätten als Muster gelten können.
Um sechs Uhr Morgens schifften sich die neuen Passagiere der »Clorinda« ein, ohne Jemand ein Wort über die Bestimmung der Yacht gesagt zu haben. Lebensmittel, frisches Fleisch, wie Conserven und die unentbehrlichen Getränke, waren in Eile reichlich herbeigeschafft worden. Uebrigens konnte der Koch der »Clorinda« sich noch nebenbei von dem Dampfer, welcher den regelmäßigen Dienst zwischen Oban und Staffa versieht, mit verschiedenem Anderen versorgen.
Mit Tagesanbruch hatte Miß Campbell von einem reizenden coquetten Zimmerchen Besitz genommen, das im Hintertheil der Yacht lag. Die beiden Brüder nahmen jenseits des Salons die Lagerstätten der »Main-Cabin« ein, die sich in dem breitesten Theile des Schiffes befand. Olivier Sinclair begnügte sich mit einer kleinen, hinter der nach dem Salon führenden Treppe gelegenen Cabine. Zu
Weitere Kostenlose Bücher