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Der grüne Strahl

Der grüne Strahl

Titel: Der grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Wasserlinie aufblähte und die Form einer ungeheuren Montgolfière annahm. Im Weltraum war nicht der feinste Dunst zu bemerken.
    »Ich glaube, dieses Mal haben wir ihn wirklich, fing Bruder Sam wieder an.
    – Ich glaub’ es auch, stimmte Bruder Sib bei.
    – Bitte, schweigt still, liebe Onkels!«… rief Miß Campbell.
    Sie schwiegen, sie hielten den Athem an, als fürchteten sie, derselbe möchte sich zu einer leichten Wolke verdichten, die ihnen die Sonnenscheibe verhüllen könnte.
    Endlich berührte der untere Rand des Gestirns den Horizont. Es verbreiterte sich, verbreiterte sich immer mehr, als wäre es im Innern mit leichtem Fluidum angefüllt.
    Alle sogen mit den Augen die letzten Strahlen ein.
    So gespannt wartete Arago, als er sich in der Wüstenei von Palma befand, auf das Signalfeuer, das auf dem höchsten Punkte der Insel Iviça aufleuchten und ihm Gelegenheit geben sollte, das letzte Dreieck seines Meridians zu schließen.
    Endlich überragte die Wasserlinie nur noch ein schmales Segment des oberen Bogenstückes. Nach fünfzehn Secunden mußte der letzte Strahl über die Erde hinblitzen und in den Augen der Beobachter, welche sich schon vorbereiteten, ihn aufzufangen, den Eindruck eines paradiesischen Grüns hervorrufen!…
    Plötzlich krachten zwei Flintenschüsse zwischen den Uferfelsen unterhalb des Berges. Ein leichter Rauch stieg empor, und zwischen dessen Einzelwolken flatterte ein ganzer Schwarm von Vögeln, Seeschwalben, Möven und anderen, welche der heftige Flintenknall aufgeschreckt hatte.
    Diese Wolke stieg gerade empor, schob sich wie ein Lichtschirm zwischen den Horizont und die Insel, und zog an dem versinkenden Gestirn vorüber, gerade als dieses seinen letzten Lichtschein über die Wasserfläche sandte.
    Da gewahrte man auf einem Felsblock des Ufers, die rauchende Flinte in der Hand und den Vogelschwarm mit den Blicken verfolgend, Aristobulos Ursiclos!
    »Ach, dieses Mal ist es genug! rief Bruder Sam.
    – Nein, etwas zu viel! fügte Bruder Sib hinzu.
    – Ich hätte besser gethan, ihn am Felsen hängen zu lassen, sagte Olivier Sinclair für sich – wenigstens wäre er dann noch dort!«
    Die Lippen geschlossen und die Augen starr hinabgerichtet, sprach Miß Campbell nicht ein Wort.
    Noch einmal, und wiederum durch die Schuld dieses Aristobulos Ursiclos, war sie um ihren Grünen Strahl gekommen!
Siebzehntes Capitel.
An Bord der »Clorinda«.
    Am folgenden Morgen gegen sechs Uhr verließ ein reizender Yawl von fünfundvierzig bis fünfzig Tonnen, die »Clorinda«, den kleinen Hafen von Jona, und segelte bei leichter, nordöstlicher Brise mit Steuerbordhalfen dicht am Wind auf das hohe Meer hinaus.
    Die »Clorinda« entführte Miß Campbell, Olivier Sinclair, Bruder Sam, Bruder Sib, Frau Beß und Patridge.
    Es versteht sich von selbst, daß der unglückselige Aristobulos Ursiclos nicht mit an Bord war.
    Nach dem Abenteuer des Vortages hatte man nämlich Folgendes beschlossen und unverzüglich in’s Werk gesetzt:
    Beim Niedersteigen vom Hügel der Abtei und der Rückkehr nach der Herberge hatte Miß Campbell in kurzem Tone gesagt:
    »Meine Onkels, da Herr Aristobulos Ursiclos sich in den Kopf gesetzt zu haben scheint, noch länger auf Jona zu bleiben, so wollen wir Jona diesem Herrn Aristobulos Ursiclos überlassen. Zum ersten Male in Oban, zum zweiten Male hier hat er unsere Beobachtungen zu nichte gemacht. Wir werden nicht einen Tag länger hier bleiben, wo dieser Unselige offenbar ein Vorrecht genießt, Dummheiten zu begehen!«
    Auf diese ebenso kurze wie bündige Erklärung konnten die Brüder Melvill keine Erwiderung finden. Uebrigens theilten auch sie die allgemeine Mißstimmung und verwünschten Aristobulos Ursiclos, so kräftig als ihre Natur das zuließ. Entschieden war die Situation ihres Prätendenten für immer erschüttert. Nichts konnte ihn wieder zu Miß Campbell zurückführen; sie mußten schon wohl oder übel auf die Erfüllung eines unmöglich gewordenen Projectes verzichten.
    »Nun, glücklicher Weise, flüsterte Bruder Sam Bruder Sib, den er etwas auf die Seite genommen, zu, sind übereilt gegebene Versprechen keine eisernen Handschellen!«
    Das bedeutete mit anderen Worten, daß man unter wesentlich veränderten Umständen unmöglich an ein, unter anderen Voraussetzungen gegebenes Wort gebunden sein kann, und unter deutlicher Geste hatte Bruder Sib auch seine Zustimmung gegeben, daß hier jenes schottische Sprichwort volle Anwendung fände.
    Eben als man sich

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