Der grüne Strahl
begrenzt, um den Zustand des Himmels und des Meeres besser überblicken zu können.
Wolken von ziemlich unbestimmter Gestalt, mehr Dunstsetzen als eigentliche Wolken, jagten da schon mit großer Schnelligkeit dahin. Der Wind gewann immer mehr an Stärke und mußte bald in wirklichen Sturm umschlagen. Das schäumende Meer hatte draußen ein ganz weißes Aussehen, und donnernd brachen sich die Wogen an den Basaltpfeilern, welche als Basis der Insel emporstarren.
John Olduck kam die Sache gar nicht heiter vor. Obgleich die »Clorinda« vor der Clam Shell-Grotte ziemlich geschützt lag, war das doch kein wirklich sicherer Ankerplatz, nicht einmal für ein Schiff von so geringen Dimensionen. Die Gewalt des Wassers, welche sich zwischen dem Wege auf dem Lande und den vorgelagerten Felsen ganz bemerkbar machen mußte, veranlaßte hier gewiß eine furchtbare Brandung, welche die Situation der Yacht nicht wenig gefährdete. Es galt also einen Entschluß zu fassen, und zwar eher, als die schmalen Fahrstraßen geradezu unpassirbar wurden.
Als der Capitän an Bord zurückkam, fand er daselbst seine Passagiere, denen er seine Befürchtungen kundgab und die Nothwendigkeit auseinandersetzte, so schnell als möglich von hier unter Segel zu gehen. Bei einer Verzögerung von nur wenig Stunden lief man Gefahr, das Wasser in der fünfzehn Meilen breiten Meerenge, welche Staffa von der Insel Mull trennt, in höchst aufgeregtem Zustande anzutreffen. Hinter letzterer Insel aber mußte man Zuflucht suchen, und speciell in dem kleinen Hafen von Achnagraig, wo die »Clorinda« von den Seewinden nichts zu fürchten hatte.
»Wir sollen Staffa verlassen, rief Miß Cambell, einen so vorzüglich freien Horizont verlieren?
– Ich glaube, daß es sehr gefährlich werden dürfte, vor Clam Shell liegen zu bleiben, antwortete John Olduck.
– Wenn’s einmal sein muß, liebe Helena, sagte Bruder Sam.
– Ja, wenn’s denn sein muß!« setzte Bruder Sib hinzu.
Da mischte sich Olivier Sinclair, der das Mißbehagen bemerkte, das diese urplötzliche Abreise Miß Campbell bereitete, ein, mit der Frage:
»Wie lange, meinen Sie, Capitän Olduck, daß dieser Sturm wohl andauern könnte?
– In dieser Jahreszeit höchstens zwei oder drei Tage, erklärte der Capitän.
– Und Sie meinen, daß es nothwendig ist, von hier fortzusegeln?
– Nothwendig und ebenso dringend.
– Was wäre also Ihre Absicht?
– Noch diesen Morgen die Anker zu lichten. Mit dem frischen Winde könnten wir noch vor dem Abend in Achnagraig landen, und würden erst, nachdem das Wetter vorübergegangen ist, nach Staffa zurückkehren.
– Warum wollen Sie nicht nach Jona zurücksegeln, wo die »Clorinda« binnen einer Stunde sein könnte? fragte Bruder Sam.
– Nein… nein… nicht nach Jona! rief Miß Campbell, vor der schon der Schatten Aristobulos Ursiclos’ aufstieg.
– Im Hafen von Jona wären wir kaum mehr in Sicherheit, als hier vor Staffa, wandte John Olduck dagegen ein.
– Nun wohl, Capitän, sagte Olivier Sinclair, so segeln Sie ab, segeln Sie unverzüglich nach Achnagraig und lassen Sie uns auf Staffa zurück.
– Auf Staffa, wiederholte John Olduck verwundert, wo Sie nicht einmal eine Hütte hätten, sich zu schützen?
– Kann die Grotte von Clam Shell nicht für einige Tage genügen? erwiderte Olivier Sinclair. Was soll uns da fehlen? – Nichts! Wir besitzen an Bord hinreichenden Proviant, Wäsche für unsere Schlafstätten, Kleider zum Wechseln, was man Alles schnell ausschiffen kann, und der Koch wird jedenfalls gern bei uns aushalten.
– Ja… ja… antwortete Miß Campbell, in die Hände klatschend, reisen Sie ab, Capitän. segeln Sie unverzüglich mit Ihrer Yacht nach Achnagraig und lassen Sie uns auf Staffa. Wir werden uns hier wie Ausgesetzte auf wüster Insel befinden; wir führen hier das Leben freiwilliger Schiffbrüchiger Wir erwarten dann die Rückkehr der »Clorinda« mit der Erregung, der ängstlichen Spannung jener Robinsons, welche ein Schiff in der Nähe ihrer Insel erblicken. Zu welchem Zwecke sind wir hierher gekommen? Einen Roman zu spielen, nicht wahr, Herr Sinclair, und was kann es romantischeres geben, als diese unsere Lage, liebe Onkels? Und mein ganzes Leben lang würde ich mir Vorwürfe machen, ein so erhabenes Schauspiel verfehlt zu haben, wenn ich nicht einen rasenden, über das Eiland fliegenden Wind, den Zorn eines nördlichen Meeres, die ossianhaften Kämpfe der entfesselten Elemente beobachtet hätte. Segeln Sie weg,
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