Der grüne Tod
es wohl war, den Lebensraum mit Millionen und Abermillionen exotischer Arten zu teilen, wo doch die meisten Leute sich schon etwas darauf einbildeten, wenn sie in ihrem Leben ein paar Hundert zu sehen bekamen. Der Wald versorgte diese Menschen mit allem, was sie brauchten, und dies in unvorstellbarer Fülle und Mannigfaltigkeit. Allein die Vielfalt der exotischen Speisen musste bei Weitem das Sortiment der exklusivsten Händler auf den bekannten Welten übertreffen.
Plötzlich bohrte sich ein Stachel in den Rücken seiner linken Hand, und er zuckte ein wenig zusammen. Eine winzige Blutblase quoll dort, wo die Haut durchstochen worden war, hervor. Sie war eine Mahnung, klein zwar, doch darum nicht weniger ohne Bedeutung.
Ja, dies war ein Ort von unvergleichbarer Schönheit, doch ebenso ein Ort, an dem Tagträumer unweigerlich den Tod fanden.
Entschlossen wandte Flinx seine Aufmerksamkeit wieder dem Weg zu, der noch vor ihnen lag.
19
Als Stabsoffizier Nesorey endlich wieder Luft schöpfen konnte, rappelte er sich schwach auf die Beine. Seine äußere Erscheinung war völlig in Unordnung geraten, die für gewöhnlich so tadellosen Schuppen mit trocknendem Nasenschleim verkrustet, die sonst so klar leuchtenden Augen eingefallen und trübe durch das unkontrollierte Austreten von Drüsensekret.
Unter Einsatz sämtlicher verfügbaren Desinfektionsmittel, Antibiotika und Sterilisationssprays versuchte Chorazzkwep sein Bestes, den stöhnenden und schwer verletzten Jusquetechii zu verarzten. Eine eingehende medizinische Behandlung würde warten müssen, bis sie zum Shuttle zurückgekehrt waren.
Der Stabsoffizier wischte sich über die tränenden Augen und sah, dass es dem geistesgegenwärtigen Chorazzkwep gelungen war, zumindest die Blutung zu stoppen. Nesorey würde sich dafür einsetzen, dass er eine entsprechende Belobigung erhielt – vorausgesetzt, sie überlebten diesen Höllentrip.
Nicht weit von ihm säuberte sich Lord Caavax mit einem desinfizierenden Tuch die Schnauze und das Gesicht und spähte dabei angestrengt in den grünen Abgrund unter dem Ast. Für Nesoreys Empfinden stand er entschieden zu nah an der Kante, doch einem Stabsoffizier stand es nicht zu, die Entscheidungen eines Adligen zu hinterfragen. Wenn er ihm vorschlug zurückzutreten, würde er damit den Mut des Aristokraten in Zweifel ziehen. Und welche Fehler er auch sonst haben mochte, an Tapferkeit mangelte es Lord Caavax jedenfalls nicht.
Doch was sie im Moment am dringlichsten bedurften war nicht Tapferkeit, sondern glasklare Vernunft.
Schreie, Pfeiflaute und Heulen, rhythmisches Brüllen und melodiöses Rufen hallten aus allen Richtungen an die Ohren der arg gebeutelten Expedition. Aber nicht eines der Geräusche ließ auf das Schicksal ihrer einstigen Gefangenen schließen.
Hatten diese Menschen es am Ende vorgezogen, lieber Selbstmord zu begehen, anstatt sich der erhöhten Aufsicht AAnn’scher Waffen zu überantworten? Oder lagen sie jetzt ihren Blicken verborgen irgendwo dort unten und waren sogar unverletzt? Der Stabsoffizier wusste, dass in dieser Gleichung lediglich der menschliche Mann etwas zählte.
Vorsichtig spähte er über die Kante. Grüntöne in jeder erdenklichen Schattierung brachen über seine immer noch schmerzempfindlichen Augen herein. Er konnte zahlreiche Bewegungen ausmachen, doch keine ließ sich auf eine menschliche Quelle zurückführen. Mit einem leisen Zischen machte er ein paar wohlgesetzte Schritte zur Seite, bis er sich direkt neben seinem Vorgesetzten befand.
»Ehrwürdiger Lord, was sollen wir jetzt tun? Bitte erteilen Sie Ihre Anweisungen.« Er vollführte eine Geste der Ehrenbezeugung zweiten Grades, kombiniert mit einer Andeutung von Sympathie und aufrichtigem Verständnis für dessen Lage.
Caavax wirkte sichtlich angeschlagen. Vermutlich hätte er in Anbetracht ihrer Situation nicht einmal Anstoß daran genommen, wenn der Stabsoffizier sich stattdessen mit einigen ausgesuchten Verwünschungen an ihn gerichtet hätte.
»Sobald sich Jusquetechiis Zustand stabilisiert hat, werden wir die Verfolgung aufnehmen.« Nachdem Caavax einen raschen Blick auf den Tracker an seinem Instrumentengürtel geworfen hatte, wies er nach Westen. »Wir gehen in diese Richtung. Solange dieser Mensch Flinx seine Position mithilfe seines eigenen Peilgeräts bestimmt, kann er uns gar nicht entwischen. Wenn er es abschaltet, ist er hoffnungslos verloren. Er ist vielleicht jung, aber bestimmt nicht dumm.
Wenn wir ihn wieder
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