Der grüne Tod
durch das Baumkronendach schoss und in die Tiefen des Waldes hinabsank. Ein beunruhigender Gedanke, den lediglich das Wissen darum, dass der Wald in der ein oder anderen Weise darauf reagieren würde, etwas erträglicher machte. Dennoch, die Folgen eines derartigen Zusammenstoßes waren nicht auszudenken.
Irgendetwas sagte ihm, dass es unklug wäre, im Fall einer solchen Konfrontation gegen die omnipräsente Vegetation des Planeten zu wetten.
Nun, da er vor Lord Caavax’ Nachstellungen sicher war, begann sich Flinx’ Stimmung merklich zu heben. Pip ging es gut, Teal war bester Laune, die Kinder und die Furcots amüsierten sich prächtig, und, wo er auch hinsah, überall nahm etwas Neues und Außergewöhnliches Gestalt an vor dem staunenden Auge. Er nahm sich vor, seinen Aufenthalt auf dieser Welt nicht voreilig abzubrechen, sobald ihn dies alles zu langweilen begann, so wie er es bisher in seinem kurzen, doch rastlosen Leben gehalten hatte.
Der Tag würde kommen, da er sich über seine Abreise würde Gedanken machen müssen. Wie hartnäckig war Lord Caavax wirklich? Und wie verzweifelt der Wunsch der AAnn, die Teacher unter ihre Kontrolle zu bringen?
Jetzt aber war es erst einmal an der Zeit, darüber nachzudenken, wie sie weiter vorgehen wollten. Sachte, um Pip nicht aufzuwecken, verschränkte er die Hände im Nacken und lehnte sich gegen den Stamm. Der Boglibaum ragte beinahe bis zum Dach des Waldes hinauf und verströmte ein sinnliches, kräftiges Aroma. Nicht alle Wunder dieser Welt waren potenziell tödlich. Er und seine Gefährten ruhten sich im Schatten einer sechshundert Meter hohen Zimtstange aus. Natürlich war es nicht wirklich Zimt, doch das war das Bild, das sich ihm angesichts ihres Dufts förmlich aufdrängte. Fasziniert in den Eindrücken seiner Geruchssinne schwelgend, atmete er tief ein. Ein ungeheuer starkes Gefühl von Zufriedenheit und Wohlbehagen spülte über ihn hinweg, eher eine Seelen- als eine Körpermassage.
Nicht allein, weil er wusste, dass er sich in Sicherheit befand, konnte er diesen Augenblick in vollen Zügen genießen, sondern weil er sich zudem der Gesellschaft dreier an den Wald angepasster Menschen und ihrer nicht minder aufgeweckten drei Furcots erfreute.
Später in der Nacht saß er einfach nur da und schaute dem Regen zu, der vor ihrem schlichten, doch schützenden Unterschlupf, auf Äste und Blätter, Blüten und Bromelien niederprasselte. Als sein Blick auf Pip fiel, die sich wie ein blaues und pinkfarbenes Tatoo auf Saalahans gebirgshohem Rücken zusammengerollt hatte, musste er lächeln. Nicht imstande, den aufdringlichen Minidrachen zu fassen zu kriegen oder ihn erfolgreich von seinen Annäherungsversuchen abzubringen, hatten die Furcots sich dafür entschieden, ihn einfach zu ignorieren. Flinx war klar, dass die Nackenpartie eines ausgewachsenen Furcots um einiges weicher und bequemer war als seine eigenen knöchernen Schultern.
Nachdem sie nach den Kindern gesehen hatte, kam Teal zu ihm herüber und setzte sich neben ihn. »Was beobachtest du da?«
»Den Regen. Die Art, wie die Bromelien ihn auffangen und speichern. Die kleinen leuchtenden Geschöpfe, die um die Blätter huschen und fliegen. Die dunklen Silhouetten, die sich hoffnungsvoll der Nacht entgegenrecken. Die lautlosen Flugwesen, die dem Lichtschein verborgener Monde folgen.« Er wandte den Kopf und lächelte sie liebevoll an. »Eine Menge Dinge. All meine Sinne sind vom Duft des Neuen erfüllt.«
Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten. »Ich verstehe nicht.«
Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die düstere, triefende Hyläa. »Ich habe da diesen ständigen Hunger zu lernen, Teal. Verstehst du? So wie ein Knoten, der, wenn man hungrig ist, in der Magengrube drückt, so ein enges Gefühl.« Sie nickte. »Nur dass ich diesen Hunger nach Wissen in meinem Geist verspüre. Wie oft hab ich mir schon gewünscht, ich könnte ihn stillen, aber so viel ich auch lerne, der Hunger kommt immer wieder zurück.«
Im Schatten der Cummumbrablätter breitete er in einer ratlosen Geste die Hände aus. »Ich muss immerzu lernen, Teal. Ständig neue Dinge entdecken und erfahren. Sonst fängt ein Teil von mir an zu verhungern.«
Sie kuschelte sich an seinen Arm. »Gibt dir denn der Wald genug Nahrung?«
»Mehr als genug«, versicherte er ihr.
»Dann erzähl mir davon. Lass mich daran teilhaben. Was hast du von dem Wald gelernt?«
Er dachte nach. »Dass Schönheit und Tod oft Hand in Hand gehen und dass aus
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