Der grüne Tod
war, schnell genug gewirkt zu haben schien, um ihm weiteres Ungemach zu ersparen. Auf Rundles Gesicht prangte ein breites, zufriedenes Grinsen. Viel breiter als gewöhnlich. Was daran lag, dass sein Kopf, wie auch der Rest von ihm, in das hineingesackt war, was von seinem Körper noch übrig geblieben war. Allein sein Gerippe wies noch eine entfernte Ähnlichkeit mit menschlichen Formen auf.
»Liiquefaktiion.« Mit versteinerter Miene starrte der Mu’Atahl in den Baum. »Diie Weiichteiile des Körpers, alles miit Ausnahme des harten Endoskeletts, wurden verflüssiigt. Vermutliich vermiittels von Enzymen iin dem narkotiisiierenden Sekret. Beute, diie niicht leiidet, wehrt such niicht so stark.«
»Wie bei Spinnen«, flüsterte Peeler.
»Ja, wie bei Spinnen.« Coerlis war gleichermaßen geschockt und fasziniert von dem grausigen Anblick. »Du könntest allmählich mal damit aufhören zu schreien, Aimee. Es nützt weder dir noch uns, und Rundle kann dich sowieso nicht mehr hören.«
Mit heftig sich hebender und senkender Brust versuchte die Ingenieurin sich wieder zu beruhigen.
Die schwammige Masse, die vor kurzem noch Rundle gewesen war, lag auf dem Höhlenboden wie ein großer Klecks klumpiger Gelatine. Inzwischen wimmelten Dutzende, vielleicht Hunderte der braunen pelzigen Krabbler mit eindeutigen Absichten auf den Überresten herum. Schon hatten etliche von ihnen ihre eingerollten Mundwerkzeuge in den gallertartigen Haufen versenkt und taten sich, gelassen vor sich hin schlürfend, an Rundle gütlich. Ihre Körper dehnten sich zusehends aus, während sie sich die Biomasse einverleibten, die bis vor kurzem noch ein Mensch gewesen war. Rundles exotische Anatomie schien dabei kein Hemmnis zu sein. Proteine waren nun mal Proteine.
»Es besteht keiin Grund, noch länger an diiesem Ort zu verweiilen.« Chaa schüttelte sich einige Regentropfen von der Schnauze. »Es giibt für uns hiier niichts mehr zu tun.«
Coerlis pflichtete ihm bei. »So eine verdammte Scheiße.« Eine Bewegung in der Finsternis ließ ihn herumwirbeln. Da war ein Schatten, ein leises Flüstern in den Blättern. Mehr war nicht zu sehen. Seine Hände begannen zu zittern. Er zwang sie zur Ruhe und hoffte, dass sein flüchtiger Moment der Schwäche in der Dunkelheit von keinem der anderen bemerkt worden war.
Nun waren sie nur noch vier. Nur noch vier … Als er bemerkte, dass seine Schiffsingenieurin noch immer ausdruckslos in die Höhle starrte, packte er sie am Arm und riss sie herum, sodass sein Gesicht sich direkt vor ihrem befand.
»Vergiss es, verstanden? Oder willst du vielleicht so lange zusehen, bis nichts mehr von ihm übrig ist? Sehen, wie sich nach und nach seine Knochen auflösen? Wenn du zu lange darüber nachdenkst, wird es für dich genauso schlimm werden, wie es für Rundle war.«
Sie nickte mechanisch. Als sich ihre Blicke trafen, zog er sie mit sanftem, doch unerbittlichem Griff mit sich fort und zurück in den Regen. Unter Coerlis’ Führung ließ sie es zu, dass man sie erneut in die Nacht hinausgeleitete. Peeler übernahm die Spitze, wachsamer denn je, während Chaa sich zwischen dem Rest der Gruppe und dem Baum positionierte. Der Schein, der von Rundles flackernder Lampe aus der Höhle nach draußen drang, wurde schwächer und schwächer, bis er schließlich von der herabstürzenden Flut und der Nacht verschluckt wurde.
13
Irgendwann in der Nacht schreckte Flinx aus dem Schlaf auf. Ungeheuerliche Ideen entschlüpften in Windeseile dem Griff seines Bewusstseins, schlagartiges Erwachen drängte den Aufmarsch fremdartiger Gedanken über den Rand des Begreifens. Traumwelten wurden von der Wirklichkeit subsumiert und fortgerissen wie Muscheln auf einem von Wellen überspülten Strand.
Draußen war es noch immer dunkel, und der Nachtregen stürzte mit unverminderter Heftigkeit herab. Während er zusah und lauschte, schien ihm, als könne er sich einfach in die Kaskaden aus Wasser werfen und nach oben, bis hinauf in den Himmel schwimmen. Das Phänomen schien eine Art Umkehrung der Transpirationen des Tages zu sein, eine Luftkommunikation zwischen Atmosphäre und Vegetation. Uneingeweiht in die Hintergründe dieses natürlichen Wechselspiels blieb ihm nichts weiter übrig, als die Poesie, die darin lag, zu betrachten.
Kein Donner war zu hören in dieser Nacht und nicht ein einziger Windhauch. Flinx wurde sich der warmen und angenehm weichen Gestalt bewusst, die sich an ihn presste. Im Schein des matten Mondlichts sah er,
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