Der grüne Tod
dass Teal ebenfalls erwacht war. Ungeniert starrte sie zu ihm hinauf. Ihre Augen waren von dem gleichen ruhigen Grün wie der Wald, und als sie sanft lächelte, funkelten ihre Zähne so hell wie die Sonne, die noch nicht aufgegangen war. Den Umhang und die schlichten, handgewebten Kleider hatte sie abgelegt. Eng lag sie an ihn geschmiegt, gebräunt und entblößt im schwachen Widerschein der Mondnacht.
»Teal«, begann er, »ich glaube nicht –«
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. Sie war älter als er, doch nur geringfügig, und ihre zierlichen, gleichwohl perfekt proportionierten Formen ließen sie wesentlich jünger erscheinen. Auf dieser Welt war er der Verwundbare, nicht sie.
Pip, die Flut der miteinander im Streit liegenden Gefühle bei ihrem Herrn spürend, regte sich unbehaglich auf seiner Brust. Von ihren Kiefern aus ging ein Gähnen durch sie hindurch, verwandelte sich in ein leichtes Kräuseln ihrer Muskulatur und verebbte mit einem letzten Zittern an der Spitze ihres Hinterleibs. Schlaftrunken glitt sie von ihm herunter und ringelte sich in der hintersten Ecke der Höhle friedlich wieder zusammen.
»Ich mag dein Tier«, flüsterte Teal. »Manchmal ist Auffassungsvermögen besser als Klugheit.«
Flinx sah sich gefangen zwischen ihrer nackten Gestalt und jenem dahindämmernden, grünen Berg, den Saalahan darstellte. Zu ihren Füßen schliefen die Kinder, tief und fest, in ihren Träumen fernab von der restlichen Welt. Moomadeem und Tuuvatem lagen eng ineinander verschlungen wie ein Paar Salz- und Pfefferstreuer, die zusammengehörten.
Soweit Flinx es beurteilen konnte, waren er und Teal weit und breit die Einzigen, die irgendwelche aktiven Emotionen aufwiesen.
»Du hast geträumt«, wisperte sie. »Ich weiß es; ich hab dich beobachtet. Was hast du geträumt, Flinx?«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern«, erwiderte er wahrheitsgemäß. »Ganz unterschiedliche Dinge. Groß und klein, hell und dunkel, grün und schwarz, kalt und heiß.«
Mit beinahe der gleichen Geschmeidigkeit wie Pip warf sie die Arme um ihn und schlang sie um seinen Hals. »Ich mag heiß.«
»Dein Mann – er ist doch gerade erst gestorben«, erinnerte Flinx sie mit gedämpfter Stimme.
Sic seufzte. »Jerah ist tot. Er ist zur Welt heimgekehrt. Wäre ich tot und er an meiner Stelle und du eine ganz passable Frau, er hätte niemals so lange gezögert.«
»Auf meiner Welt ist es üblich, eine Weile zu warten.«
»Dann müsst ihr auf eurer Welt ja viel Zeit haben, um sie so zu vergeuden. Hier ist das Leben von zu vielen Gefahren bedroht, als dass man es sich leisten könnte, allzu lange zu zaudern.« Sie legte den Kopf auf seinen Bauch. »Ich hab mich um zwei Kinder zu kümmern, eine viel einfachere Aufgabe, wenn zwei Erwachsene da sind. Meine Eltern helfen mir zwar, aber sie sind alt und können sich nicht mehr sehr weit vom Heimatbaum entfernen. Ich hab Glück, dass die beiden überhaupt noch leben.« Herausfordernd erwiderte sie seinen Blick.
»Hier gehört das Leben den Raschentschlossenen, Flinx. Dwell und Kiss brauchen ein männliches Elternteil. Und du hast gesagt, dass du noch keine Verbindung eingegangen bist.«
»Das stimmt.«
»Du stellst dich ziemlich dumm an, was manche wesentlichen Dinge betrifft.« Eine reine Feststellung ohne jede beleidigende Absicht. »Aber du lernst schnell. Und du bist groß, wenn auch nicht so kräftig, wie du es eigentlich sein könntest. Du bist stark in anderer Hinsicht und scheinst mir eine gute Person zu sein.«
»Teal …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Ich bin nicht interessiert an einer Verbindung mit dir. Ich bin nicht interessiert«, fügte er eilig hinzu, »an einer Verbindung mit irgendwem.«
Sie hob den Kopf und schaute ihn verständnislos an. »Aber wieso? Gibt es dort, wo du herkommst, ein Gesetz, das es dir verbietet? Musst du womöglich noch irgendwelche Reiferiten absolvieren?«
»Nein, nichts in der Art.« Er dachte an die Frauen, die es in seinem Leben gegeben hatte; Lauren Walder und Atha Moon, Raileen Ts-Dennis und zuletzt und allen anderen voran die bewundernswerte Clarity Held. Es tauchten sogar liebevolle Erinnerungen an eine gewisse Sylzenzuzex in ihm auf, die eine Nichthumanoide gewesen war. »Es ist einfach nur so, dass ich noch nicht dafür bereit bin.«
Sie stützte ihr Kinn in die Hand und sah ihn aufmerksam an. »Wie alt bist du, Flinx? Wie viele Jahre?«
»Zwanzig, glaube ich.«
»Dann besitzt du also bereits seit etlichen Jahren das
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