Der gute Liebhaber
stellen.
Una wusste, dass Karl Businessmanager war, und am vierten Tag fragte sie ihn nach seinem Business. Sie nahmen gerade ihr Frühstück im Wintergarten ein, von früh konnte allerdings keine Rede sein, denn es war bereits zwei.
Jetzt wird es schwierig, antwortete er. Ich bin ein Spekulant der unbegreiflichsten Sorte. Partygäste ergreifen zuhauf die Flucht, wenn die Rede auf meinen Broterwerb kommt.
Hat dieses Unbegreiflichste einen Namen?, fragte sie.
Es hatte tatsächlich einen Namen. Karl Ástuson gehörte zu einer Gruppe einiger weniger Auserwählter, deren Berufsbezeichnung aus dem Französischen kam, Arbitrageur, und ihre Tätigkeit hieß Arbitrage.
Abrakadabra, sagte Una. Bitte erklären.
Es geht darum, ortsbedingte Preisunterschiede ausfindig zu machen und aus der Differenz Gewinn zu schlagen. Beispielsweise, wenn eine Währung von Land zu Land verschieden gehandelt wird; es geht darum, im richtigen Moment zu kaufen und zu verkaufen. Da können beispielsweise irgendwo in Timbuktu hundert Mercedes herumstehen, zu einem ganz guten Preis, aber in Nicaragua bekommt man mehr dafür. Hokuspokus.
Mit anderen Worten, Spekulation hoch zwei, sagte Una. Und du bist derjenige, der auf solche Preisunterschiede spekuliert und daran verdient.
Besser kann man es nicht formulieren.
Aber du darfst nicht mit mir spekulieren.
Ich habe stets und immer auf dich spekuliert, seitdem wir elf waren. Du hast immer den entscheidenden Unterschied für mich ausgemacht, von dem Augenblick an, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, und daran wird sich nie etwas ändern.
Una sah den Mann an und sagte nichts. Sie schwiegen, bis sich eine Türkentaube bei ihnen aufs Dach setzte und das Schweigen mit langgezogenen gurrenden Bluestakten durchbrach.
Dann sagte Una: Spekulieren auf Unterschiede in höherer Potenz also.
Sie lachten und schwiegen anschließend wieder, bis Una sagte: Ich würde gerne bei deinen Spekulationen mitmachen. Und zu Weihnachten machen wir dann ein dickes Geschäft mit Spekulantius.
Über diesen albernen Witz kicherten sie bis zum Abend, pufften sich wechselweise in die Seite: Spekulieren, Spekulant, Spekulantius.
Im Ernst war Karl aber keineswegs daran gelegen, dass Una ins Spekulationsgeschäft einstieg. Sie sollte nur auf Long Island am Flügel sitzen. (Selbstverständlich ein Bösendorfer, wie in der Musikschule. Klang weicher als ein Steinway.) Ja, zwischendurch durfte sie auch mal ein Buch lesen.
Pah, du hast doch gar keine Bücher, sagte sie.
Natürlich habe ich Bücher, sogar jede Menge. Auch isländische. Einige sind noch von Mama. Aber ich besitze viel mehr Musik. Ein ganzes Zimmer voll von Musik.
Er hörte sich selber reden. So leicht war es, endlich das Geheimnis des Musikzimmers mit allem, was darin war, zu lüften. Niemand hatte es bislang betreten dürfen, nicht einmal Immaculada. Er putzte das Zimmer selber und staubte von Herzen gern einmal in der Woche alles ab.
Ein ganzes Zimmer?
Ja. Und zwar nicht zu klein. Nun muss ich allerdings eine weitere Sitzgelegenheit anschaffen, es gibt dort nämlich nur einen Sessel. Aber wie auch immer, du wirst keinen Finger krummmachen müssen, das kommt überhaupt nicht in Frage.
Es würde mir nichts ausmachen, einen Finger krummzumachen. Ich habe die ganze obere Etage am Silberstrand angestrichen. Allein.
War der Kerl so geizig?
Nein, ich bin so geizig. Und Anstreichen macht mir Spaß.
Mit deinem Geiz wirst du dich aber nicht durchsetzen können, wenn ich etwas zu sagen habe.
Du hast aber nichts zu sagen.
Ich hatte vergessen, dass ich nie verheiratet gewesen bin. So funktionieren wohl Ehen.
Genauer gesagt ist es so, dass die Frauen alle kleinen Dinge und die Männer alle großen Dinge bestimmen, sagte Una.
Ich werde es mir merken, sagte Karl.
Ein ständiger Anlass zur Verwunderung in dieser Woche in Beausejour war, dass Karl und Una, die streng genommen Unbekannte füreinander geworden waren, sich bei allen Dingen, die sie sich vornahmen, in einer Weise behilflich waren, als wären sie ihr ganzes Leben lang ein Zwiegespann gewesen. Was dem einen schwerfiel, war leicht für den anderen. Sie ergänzten einander. So war es auch früher immer gewesen, zum Beispiel bei Deutsch und Mathematik, aber es war keineswegs selbstverständlich, dass es auch noch galt, wenn es beispielsweise darum ging, ein Rindfleischragout nach lokalem Rezept zu kochen – so viel später, dass weder sie noch er Wert darauf legte, die ganze Zeit der Trennung in
Weitere Kostenlose Bücher