Der gute Liebhaber
Leben lang dort mit Karl Ástuson ein und aus gegangen. Er nannte das Haus seit neun Jahren sein Eigen und hatte versucht, alles in Una-Manier einzurichten. Beispielsweise ihre Farben zu wählen, die nicht unbedingt seine waren. Und ob nun aus diesem oder einem anderen Grund – kaum war sie zur Tür hereingetreten, sagte sie: Ich habe das Gefühl, als sei ich hier schon einmal gewesen. Und Karl antwortete: Das bist du auch.
Natürlich war es ihm nicht entgangen, dass er für Una einkaufte, wenn er die Antiquitätengeschäfte abklapperte, und auch, als er das weiße Ledersofa aus Italien bestellte, ein ausgefallenes Möbel, das aber an Ort und Stelle unerhört zur Geltung kam und den mediterranen Frohsinn der Fliesen so akzentuierte, dass der Boden zu tanzen schien.
Alles in Beausejour hatte er in ihrem Sinne ausgewählt und zusammengestellt, ohne auch nur eine einzige Minute daran geglaubt zu haben, dass sie wieder zu ihm zurückkehren würde, oder sich einzubilden, dass sie jemals seine Frau werden könnte, in der Zukunft – falls sich die Gegenwart wider alles Erwarten überhaupt dazu herablassen würde, sich in einem unbegreiflichen Zickzack dorthin zu begeben.
Trotzdem hatte es Stunden in der Hollywoodschaukel gegeben, vor allem einmal im Herbst, in denen er sich Una im Garten vorstellte, eine Una, die Oliven pflückte, grüne und violette, und ganz lebendig vor ihm stand.
Una
, hatte er laut gesagt,
ich weiß, wie man Oliven einlegt.
Er sagte ihr nicht, dass sie bei ihm gewesen war, dass er sie bei dem Baum angeredet hatte, sondern wiederholte nur, was er damals gesagt hatte, dass er wisse, wie man Oliven einlegt. Und fügte hinzu, dass sie im Herbst wiederkommen müssten, wenn sie reif wären.
Über das, was einmal gewesen war, redeten sie so wenig wie möglich, aber wegen vergeudeter Zeit fielen Tränen. Karl Ástuson hatte nicht geweint, seit er an seinem ersten Tag in New York auf den Stufen zur Grand Central Station stand. Jetzt weinte er wieder und vergrub sein Gesicht in Unas Haaren. Das kam öfter als einmal vor, und er schämte sich nicht.
Er weinte, als sie sich das erste Mal geliebt hatten. Da hatte Una einen verwunderten Ausdruck, den er nicht kannte, und das war der erste Anlass zu Tränen. Die Anlässe mehrten sich. Das Bedauern über all die Jahre, die er verpasst hatte und die sie nicht minder bedauerte. Die Freude darüber, dass das große Projekt gelungen war, eine Brücke vom vorigen Leben über ein Vakuum hinweg ins eigentliche Leben zu bauen. Aber vor allem weinte er vor Erleichterung darüber, dass sie beide, wenn sie sich liebten, zu einer Person verschmolzen. Näher als das, mit Seele und mit allem, konnte man einem anderen Menschen nicht kommen, dorthin hatte er sich gesehnt, bis ganz hin zu Una. Er hatte sich nie nach etwas anderem gesehnt.
Am ersten Abend in Beausejour, nach dem Abendessen in der Goldenen Schwalbe, hatte sich Karl Ástuson an den Flügel gesetzt und einen Walzer von Chopin gespielt, allerdings nicht den Abschiedswalzer von damals im Wohnzimmer, und wie nicht anders zu erwarten, hatte Una auf dem weißen Sofa hingerissen gelauscht. Er spielte nur dieses eine Stück und setzte sich dann neben sie aufs Sofa. Sie war es, die sich langsam zu ihm hinüberlehnte und ihm die Hand in den Nacken legte, und er war es, der zu küssen begann, erst sanft, dann fest.
Kein Chopin mehr heute Abend, sagte sie zwischen den festen Küssen, und lachend gingen sie Hand in Hand in das Schlafzimmer mit dem quadratischen Himmelbett aus dem achtzehnten Jahrhundert und den spezialangefertigten Matratzen aus der Gegenwart.
Die ersten Male liebten sie sich überaus behutsam, als wären sie körperlich behindert oder blind und schwebten deswegen in Gefahr, sich unsanft aneinander zu stoßen; es war dunkel im Schlafzimmer. Aber selbst während unbeleuchteter Wonnen spürte Karl, dass Unas Körper nicht mehr derselbe war. Der Bauch hatte andere Formen angenommen, und die Brüste kamen ihm völlig verändert vor. Sie waren recht groß und hingen ein wenig herab. Die Enttäuschung war fast körperlich, sie hinterließ einen bitteren Geschmack im Mund. Gleichzeitig gab er sich die Schuld am Zustand der Brüste. Es wäre ihnen nicht so ergangen, wenn er sie in seiner Obhut gehabt hätte, und als Entschädigung für falsche Behandlung und natürlich auch Vernachlässigung ließ er ihnen besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden.
Während der sieben Tage in Beausejour schliefen sie meist erst
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