Der gute Liebhaber
bekommen?
Was?
Ein Kind?
Darüber habe ich nicht nachgedacht.
Und sie?
Wir reden nicht über Kinder, sie hat in einer langen Ehe keins bekommen, und für mich sind Kinder fast so etwas wie Wesen aus dem All. Mit einer Ausnahme. Ich hatte ein enges Verhältnis zu der kleinen Tochter von meiner Halbschwester.
Und was ist, wenn sie schwanger wird?
Dann würden wir ein Kind bekommen. So einfach ist das. Es sei denn, sie würde eine Abtreibung wollen.
Na, hör mal.
Ich kann nicht in die Köpfe der Menschen hineinsehen, ich lese keine Gedanken. Ich kann nicht wissen, was Una denkt, es sei denn, sie sagt es mir.
Du bist also so weit, dass du die grundlegenden Dinge verstehst.
Danke für das Lob. Aber eigentlich bin ich gekommen, um dir Lob auszusprechen. Du hast mein Leben im wahrsten Sinne des Wortes gerettet. Es war so leer, dass ich genauso gut hätte tot sein können.
Bei Rettungsarbeiten kommt meist nichts heraus. Unglaublich, dass es in deinem Fall etwas gebracht hat, das begreife ich eigentlich gar nicht. Entscheidend war natürlich, dass du nicht bei mir in Behandlung bist. Dann hätte ich nämlich nicht das Recht gehabt, so mit dir zu reden. Wenn du bei mir in Behandlung wärst, hätte ich dir nicht zu so etwas Revolutionärem raten können. Ich würde mir wünschen, etwas Ähnliches für meine beiden letzten Mohikaner tun zu können. Desperate Fälle, an denen ich klebenbleibe und sie an mir – wie eine Skulptur der Hoffnungslosigkeit. Das wenige, was man sagen kann, ist besser als nichts, aber es ist nicht gut genug. Und ich – wer soll mich retten, ich selber kann es augenscheinlich nicht oder will es nicht, und nicht einmal Liina ist imstande dazu. Ich glaube, ich halte mich an meine beiden hoffnungslosen Fälle, die ewigen Muttersöhnchen, vielleicht ist das eine Art von Rettungsleine. Aber das ist unprofessionell und unseriös, es ist gegen alle Regeln. Selbstverständlich sollte ich sie mir auch vom Hals schaffen, da mir das alles so klar ist, aber ich tue es trotzdem nicht.
Karl Ástuson wusste nicht, was er sagen sollte, deshalb sagte er nichts, eingedenk der Verhaltensmaßregeln, die ihm seine Mutter mit auf den Weg gegeben hatte: Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, dann schweige lieber.
Er schwieg so lange, bis Doreen Ash wiederholte: Ja, wer soll mich retten? Dann legte sie das Armband aus Platin und Lapislazuli an, das Geschenk von Karl, und schaute auf ihr Handgelenk, so als würde sie einen Blick auf die Uhr werfen, aber die Zeit nicht verstehen.
Kann ich etwas tun?, fragte er und hörte selber, wie albern das klang.
Am allerwenigsten du, sagte Doreen Ash, ohne ihren Blick von dem Armband abzuwenden.
Karl Ástuson sah ihr ins Gesicht, aber da war nichts, was ihm einen Hinweis darauf hätte geben können, wieso er am allerwenigsten etwas für sie tun konnte. Es endete damit, dass er Echo spielte: Am allerwenigsten ich.
Du weißt, dass ich dich liebe, sagte sie.
Der Satz enthielt keine Dramatik und klang ganz en passant. So als hätte sie gesagt: Du weißt, dass Kartoffeln fehlen.
Was für ein Unsinn, sagte er. Du stehst doch mehr auf Frauen.
Doreen Ash musste lachen und sagte dann in einem so freundlichen Ton, als spräche sie zu einem kleinen Jungen: Muttersöhnchen.
Ich hatte eine Mutter, die in einer unbegreiflichen Weise wundervoll war. Alles um sie herum war Leben und Farbe, Wärme und Lachen. Sie hat aus meiner Kindheit einen Traum und ein Märchen gemacht. Hätte ich nicht diese Mutter gehabt, könnte ich nicht an Traum und Märchen glauben, und ich hätte es nie in Angriff genommen, eine siebzehn Jahre lange Brücke zu überqueren und ein neues Leben aus lauter Glück aufzubauen. Und wenn mich das zum Muttersöhnchen macht, will ich es gerne mein Leben lang bleiben.
Ein Ausdruck der Bewunderung glitt über Doreen Ashs Gesicht. Sie hatte nie zuvor erlebt, dass Karl Ástuson ärgerlich wurde. Er war beinahe erschrocken über den Gesichtsausdruck dieser Frau, die behauptete, ihn zu lieben. War das wahrscheinlich? War es eine Falle, um ihn ins Bett zu locken? Nein, nein.
Cocktailstunde, sagte Doreen Ash. Was darf ich dir anbieten?
Gin und Tonic?, fragte er, der Whiskymann, der sich die gebrannten Weine abgewöhnt hatte.
Doreen Ash entnahm das dazu Erforderliche einem Möbelstück, das wie ein Aktenschrank aussah, aber einen Kühlschrank enthielt.
Der hier ist mein Geheimnis, sagte sie. Nicht einmal Liina weiß davon und auch sonst niemand außer meiner
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