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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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zur Familie gehört. Im Übrigen ist ein Therapeut natürlich keineswegs neutral, zumindest würde mir nicht im Traum einfallen, mir einzubilden, dass ich das sei. Ich bin nur anders voreingenommen als Freunde oder Familie. Und ich erleichtere Freunden und Familien die Bürde. Meine Patienten können sich bei mir ihre Lasten von der Seele wälzen und anschließend mit anderen über angenehmere Dinge plaudern.
    Ich erinnere mich, dass dir die Patienten auf den Geist gingen.
    Nur die, bei denen wirklich etwas nicht stimmt. Die in ihrer eigenen Welt leben und jahrelang denselben egomanen Schwachsinn wiederkäuen. Ihnen zuzuhören, ist eine Tortur.
    Wieso denn, seid ihr nicht speziell dafür ausgebildet, euch solche Gespräche nicht nahegehen zu lassen?
    Was für eine Ausbildung könnte einen wohl dagegen wappnen? Und die Kranken, bei denen es den Anschein hat, als seien sie von sämtlichen Kontakten abgeschnitten, haben immer ein besonderes Händchen dafür, sich durch alle Schutzvorrichtungen hindurchzuschmuggeln.
    Sie schwiegen, und er schaute seine Retterin an, die Frau, die innerhalb von drei Jahren um zehn Jahre gealtert war. Vielleicht zerstörte sie sich mit Alkohol, wie sie angedeutet hatte. Aufgeschwemmte Wangen, verquollene Lider. Und eigentlich sah es so aus, als hätte sie bereits ein weiteres der untrüglichen Symptome, die unbewegliche Humphrey-Bogart-Oberlippe.
    Nicht genug damit, dass die Zeit nicht zimperlich mit Doreen Ash umgegangen war, sie wirkte im Grunde genommen wie eine ganz andere Frau. Sie war von einer Trauer umgeben, die noch nicht geboren war, als sie sich begegneten. Vielleicht hatte sie einen engen Freund oder Verwandten verloren.
    Sie war auch ganz anders gekleidet als an dem Abend, an dem er auf sie gestoßen war. Damals hatte sie ein legeres weißes Sommerkleid getragen. Ein Wickelkleid, das ihm nicht in die Quere gekommen war, als es aufs Ganze ging. Nun trug sie ein rotes Chanel-Kostüm und glich eher einer Frau aus der Business-Welt als einer Psychiaterin. Karl ertappte sich dabei, die goldenen Kugelknöpfe an der Jacke zu zählen, es waren elf. Ein derartiges Outfit konnte mehr als lästig sein, und der enge Rock stellte eine Schranke der ganz besonderen Art dar, wenn es darum ging, eine Frau zu entkleiden. Er erinnerte sich dunkel an einen peinlichen Moment mit einer Liebhaberin, deren knallengem Rock nicht beizukommen war. Er hatte sich so ungeschickt angestellt, dass das Spiel um ein Haar in ein regelrechtes Handgemenge ausgeartet wäre.
    Und was ist mit deinem neuen Buch?
    Überübermorgen beginnt die Marketing-Kampagne.
    Herzlichen Glückwunsch.
    Zu früh, aber trotzdem danke. Sie prophezeien, dass es ein Bestseller wird, das habe ich dir bestimmt schon gesagt.
    Toll.
    Prophezeiungen bewahrheiten sich nicht immer.
    Wie heißt das Buch?
    Doreen Ash lachte und sagte: Das wirst du noch früh genug erfahren.
    Ach?
    Es muss unbedingt bis zur letzten Stunde geheim gehalten werden.
    Ich besorge mir ein Exemplar, sobald es in die Läden kommt.
    Du bekommst ein signiertes von mir, sagte Doreen Ash und fügte etwas abrupt hinzu: Wohnst du nicht immer noch da, wo du damals warst?
    Doch, ja, sagte Karl Ástuson, der sich nur ungern an ihr Treffen bei ihm zu Hause erinnern lassen wollte. Er beeilte sich, das Geschenk zu überreichen.
    Die Schachtel mit dem Armband war kunstvoll in weißes Japanpapier verpackt und mit einer rosa Porzellanblüte versehen worden. Unpassender hätte die Verpackung kaum sein können, sie erinnerte an ein Hochzeitsgeschenk, doch niemand wollte heiraten. Die Blumenverkäuferin war sicher davon ausgegangen, es handele sich um ein Geschenk für seine Verlobte, und er hatte keinen Versuch unternommen, diese völlig verfehlte Verpackung zu verhindern.
    Es kam einem Geschicklichkeitsspiel gleich, ein Päckchen auszupacken, das von einer geübten Blumenverkäuferin kunstfertig mit filigranen Fäden verschnürt worden war. Doreen Ashs Hände schienen leicht zu zittern. Sie schwiegen, bis das Armband zum Vorschein kam.
    Traumhaft schön, sagte sie. Ich danke dir. Das ist viel zu viel.
    Sie probierte das Armband nicht an, sondern hielt es nur in der Hand und betrachtete die ultrablauen Steine mit den Goldadern.
    Nichts ist zu viel. Du hast nicht nur mich gerettet, sondern Una auch. Eine entsetzliche Ehe. Der Kerl hat sie unter seiner Fuchtel gehabt. Geschlagen hat er sie bestimmt auch. Ich glaube, sie ist zu stolz, um darüber zu reden.
    Wollt ihr ein Kind

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