Der gute Liebhaber
Stimme.
Ich bin es, der zu danken hat. Immer.
Wir sehen uns übermorgen, sagte sie.
Darauf freue ich mich, sagte er.
Der Lift war auf dem Weg nach oben, und Doreen Ash war noch neben ihm stehen geblieben. Als das Klingelzeichen ertönte, sagte sie: Eines noch.
Ja, sagte Karl Ástuson und war auf Komplikationen gefasst.
Falls du aus einem unwahrscheinlichen Zufall heraus Liina kennenlernen solltest – ich habe ihr nur gesagt, dass wir uns vor einigen Jahren zufällig getroffen und zusammen gegessen haben. Dass du mich dann angerufen hast und ich dir aus einer Klemme geholfen habe. Es wäre besser, wenn wir dieselbe Geschichte erzählen.
Selbstverständlich, sagte Karl Ástuson lächelnd. Falls es der unwahrscheinliche Zufall so will.
Doreen Ash lächelte keineswegs. Sie öffnete die Aufzugtür, und er fuhr nach unten.
Es war nicht zu leugnen, dass Karl Ástuson allergrößten Wert darauf legte, für die Party zu Ehren von Doreen Ash gut auszusehen und perfekt gekleidet zu sein. Anlass war ein Buch mit einem Titel, der bis zuletzt ein Geheimnis bleiben sollte. In einem Kosmetikstudio, das Lotta für ihn ausfindig gemacht hatte, unterzog er sich einer Gesichtsmassage und einer Maniküre und ließ sich die Haare stylen. Von dem Designer-Stuhl aus, in dem der Kunde sich zwei Stunden nicht rühren durfte, während er sich verwöhnen ließ, hatte er Aussicht auf den Hafen.
Ihm war zumute, als stünde ein großes Ereignis bevor: Er gestand sich selber ein, dass er in ähnlicher Weise unruhig war wie ganz früher manchmal, wenn er mit Una verabredet gewesen war. Ihm durfte kein Schnitzer unterlaufen, und er musste sich noch mehr als gewöhnlich ins Zeug legen. Das war die Last, die Ástamama ihm auf die Schultern gelegt hatte; sie wollte, dass er vollkommen war, und sagte, dass er vollkommen war. Also konnte er sich nicht erlauben, weniger als das zu sein, und perfektionierte sich in allem, was er tat: Kaffee trinken, Schuhe anziehen, Schecks unterschreiben.
Und jetzt ging es um die Frage, ob ein Mann, der alles perfekt machen wollte, Blumen für die Retterin kaufen sollte, die im Begriff stand, die Bestsellerlisten zu erklimmen? Eigentlich hätte er es am liebsten getan, zumal er von einem ausgezeichneten Blumengeschäft wusste, das auf dem Weg lag. Aber wie andere Perfektionisten auch hatte er Angst davor, sich lächerlich zu machen, indem er sich beim Überreichen ungeschickt anstellte. Er sah die ein oder andere Szene vor sich, beispielsweise die, dass die Hauptperson so umschwärmt sein würde, dass er erst ganz zum Schluss an sie herankäme und mit dem Strauß in der Hand die ganze Zeit wie Falschgeld herumstehen müsste. Infolgedessen erschien er mit leeren Händen auf der Party und war unzufrieden mit sich selbst.
Auf einem Tisch vor dem Festraum mit einer Dekoration aus Strelitzien (Karl Ástusons Lieblingsblume) lagen ganze Stapel von dem neuen Buch. Über den orangefarbenen und blauen tropischen Blumen hing ein Käfig mit zwei bemerkenswerten Papageien, einer knallrot, der andere himmelblau. Der eine kreischte in einem fort bye-bye, mit einem höhnischen Unterton, von dem Karl Ástuson sich abgestoßen fühlte. Als der Vogel mit seinem Bye-bye-Latein am Ende war, sah der Käfiggenosse seine Chance gekommen und pfiff ziemlich falsch den Anfang der französischen Nationalhymne.
Um den Mann mit keinen Blumen drängelten sich Menschen, sodass er eine Weile eingekeilt und gezwungen war, den schrägen Lauten der Papageien unangenehm nahe zu sein. Doch nun war der Geheimtitel des Buchs von Doreen Ash ans Licht gekommen:
Der Gute Liebhaber
.
Ein witziger Titel. Geradezu gut. Kaum zu glauben, dass der noch nie jemandem eingefallen war. Klang allerdings nicht sonderlich überzeugend für ein Werk mit angeblich wissenschaftlichem Anspruch. Er konnte sich nicht beherrschen, zog vorsichtig ein Exemplar aus dem Stapel unter den Strelitzien heraus und nahm es genau in Augenschein. Der Text hinten auf dem Schutzumschlag besagte, dass die Autorin eine neue literarische Gattung geschaffen hatte, einen Reality-Roman, einen Liebesroman mit wissenschaftlichen Erläuterungen. Er öffnete das Buch, es war Liina Minuti gewidmet, mit Dank für unschätzbare Unterstützung.
Karl Ástuson war so verunsichert, dass es ihm nicht gelang, das Buch wieder ordentlich an seinen Platz zurückzuschieben. Bei der Aktion deformierte er eine Strelitzie. Ein älteres Ehepaar mit eindeutig akademischem Hintergund beobachtete ihn dabei
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