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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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Vier-Uhr-Klientin vor seinem inneren Auge auf. Mit ihren hohen Absätzen und ihrem roten Lippenstift kauert sie versteckt im Schrank ihrer Kindheit, die Augen weit aufgerissen.

13
    U m zehn nach vier stürmt die Vier-Uhr-Klientin herein, schüttelt Regentropfen von ihrem Mantel und seufzt tief auf. Sie kippt den Inhalt ihrer Handtasche auf das Sofa und wühlt darin herum, fischt ein Feuerzeug und eine zerknitterte Zigarette heraus.
    »Sie können hier nicht rauchen«, sagt der Psychologe.
    Sie sieht ihn gereizt an, überlegt und lenkt ein: »Ihre Regeln«, sagt sie.
    »Ärgerlich«, nickt er.
    Der Anflug eines Lächelns blüht auf ihren Lippen auf und verwelkt: »Sie sagten, Sie würden mir helfen.«
    »Ich sagte, Sie würden sich selbst helfen. Sie waren schon wieder zwei Wochen lang verschwunden.«
    »Ich war deprimiert. Ich habe zu Hause gehockt.«
    »Ich habe angerufen. Sie sind nicht drangegangen.«
    »Ich bin nicht ans Telefon gegangen.«
    »Richtig.«
    Er wartet schweigend ab.
    Sie macht es sich auf dem Sofa bequem und sieht sich ruhelos um. »Wer hat hier die Bilder ausgesucht?«
    Er zuckt die Schultern: »Ich.«
    »Es fehlt die weibliche Hand.«
    »Sie sehen aus, als würden Sie sich Sorgen machen.«
    »Mein Boss lässt mir keine Ruhe. Er will, dass ich wieder arbeite. Auftrete. Ich habe ihm erklärt, dass ich ein Problem habe;
dass ich in Therapie bin. Aber ihm, ihm sind solche Dinge egal. Grobian. Ich habe einen Monat, um wieder auf die Bühne zurückzukehren, oder er wirft mich hinaus, sagt er. Können Sie mir in einem Monat helfen?«
    »Nein, aber Sie können sich selbst helfen.«
    »Ja, ja. Klischees. Ich zahle Ihnen hundertfünfzig Dollar die Stunde, damit ich mir selbst helfe?«
    »Genau. Ich leiste meinen Teil. Ihr Teil obliegt Ihrer Verantwortung. Jeder muss selbst sehen, wo er bleibt.«
    Sie wirft ihm einen alarmierten Blick zu, als schmerzte sie seine Direktheit. »Ja«, murmelt sie, »Sie und Ihre Sprüche. Ärgerlich. « Sie blickt sich betont ungeduldig um. »Gut, und was jetzt?«
    »Sie werden zu jedem Termin erscheinen müssen, pünktlich. Sie werden Ihre Hausaufgaben machen müssen.«
    Sie schürzt die Lippen.
    Schweigen.
    »Sie müssen nicht wieder strippen«, sagt er schließlich.
    »Was meinen Sie?«
    »Ihre Bühnenangst ist möglicherweise Ausdruck eines gesunden und unverfälschten Bedürfnisses, einer Ambivalenz, die Sie Ihrem derzeitigen Leben, Ihrer Arbeit gegenüber empfinden. Eine innere Stimme ruft Ihnen zu, damit aufzuhören. «
    Sie kratzt sich die Wange. »Eine innere Stimme sagt mir, dass ich aufhören möchte zu leben. Soll ich auch darauf hören?«
    »Ja«, sagt er. »Es ist wichtig, den inneren Dialog zu kennen. Zuzuhören bedeutet nicht zuzustimmen oder sich auf eine Seite zu schlagen, und es zwingt Sie nicht zu handeln. Zuzuhören bedeutet, die Realität zu akzeptieren, voll und ganz, und das ist wichtig.«

    »Ich verdiene an einem Abend fünf hundert Dollar mit dem Tanzen. Wenn ich den Club verlasse und in irgendeinem Kramladen als Kassiererin arbeite, bin ich nicht in der Lage, Sie zu bezahlen.«
    Er wartet.
    »Ich bezahle meine Miete«, sagt sie. »Ich habe mir ein Auto gekauft; ich spare für Schulgeld. Ich habe einen Plan. Ich will ein Haus kaufen, mir einen Rechtsanwalt nehmen und das Sorgerecht für mein Mädchen erstreiten. Ich will …«
    Er schneidet ihr das Wort ab: »Ein Mädchen? Sagten Sie, ein Mädchen?«
    Sie sieht ihn an, zögert. Dann nickt sie. »Ich habe ein kleines Mädchen.«
    »Sie haben ein kleines Mädchen.« Er richtet sich auf, macht sich ein paar Notizen auf seinem Block. Er wartet.
    »Sie ist bei meinem Ex. Er hat mich geschlagen. Ich habe ihn verlassen. Er hat Geld. Er hat sie genommen.«
    »Genommen? Wie meinen Sie das?«
    »Seine Familie lebt in meiner Heimatstadt. Sie sind einflussreich. Seine Mutter, diese Hexe, hat dort ein großes Restaurant. Er ist wie ihr Baby, ein Einzelkind. Sie tut alles für ihn. Er musste noch keinen Tag in seinem Leben arbeiten. Früher hat er mir Kleider gekauft, Klamotten, Schuhe. Er hat mir ein Motorrad gekauft. Ich hatte keine Ahnung. Sie hat ihm dabei geholfen, mich zu hintergehen.«
    »Die Mutter Ihres Ex …«
    »Ja. Sie hat einen Anwalt angeheuert. Ich war damals … ich war in einem schlechten Zustand.«
    »Wie meinen Sie das, in einem schlechten Zustand?«
    »Ich wurde mit Kokain erwischt, okay?« Sie wird plötzlich hart, ein Anflug von Zorn zeigt sich auf ihrem Gesicht. »Der
Scheißkerl brachte es

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