Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
Vom Netzwerk:
stellt sie auf den Boden, steckt das erhaltene Geld in die Jackentasche, schiebt sich wieder auf seinen Sitz und streckt noch einmal den Kopf aus dem Fenster: »Haben Sie Kinder?«
    Der Psychologe zögert; ein schmerzhafter Schlag durchfährt ihn.
    »Nein«, sagt er und bereut es sofort und vergibt sich sofort.
    Der Fahrer bringt ein sorgenvolles Nicken zustande: »Mit Allahs Hilfe werden Sie welche haben.« Er wendet sich ab und verschwindet in dem unablässigen Strom.
    Der Psychologe betritt die Lobby. Der Angestellte an der Rezeption, der zu jung wirkt, hackt mit knapper Effizienz auf seine Computertastatur ein. Innerhalb von Minuten ist der Psychologe im Aufzug und über teppichbelegte Flure auf dem Weg zu Zimmer 314. Er tritt ein, schleudert seine Tasche auf das Bett und geht ins Bad, wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel, fährt sich mit der Hand durchs Haar und geht hinunter in die Tiki-Bar. Eine Kellnerin in einem knappen Minirock, die ebenfalls zu jung wirkt, begrüßt ihn mit einem strahlenden Lächeln. Er nickt ihr zu und lässt den Blick durch den Raum schweifen, und noch ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen können, hört er Ninas Stimme: »Hallo, du.«
    Ihre Gestalt löst sich aus der Dunkelheit.
    »Hallo«, sagt er, »Dr. Michaels.«
    Sie umarmen einander. Er hält sie fest und spürt einen Augenblick ihren ganzen Körper an seinem, die Weichheit ihrer Brüste durch die Seidenbluse, die Wärme ihres Bauchs, den Duft ihrer Haut. Ihre Umarmung ist verhalten, sie ergibt sich
nicht, und nach einer Sekunde sieht sie ihn an und zieht sich behutsam zurück.
    »Oho«, kichert sie, nachdem er sie losgelassen hat.
    Er lächelt: »Bei wem muss ich mich einschmeicheln, um in dieser Absteige an Alkohol zu kommen?«
    »Nur bei mir«, sagt sie. »Bemüh dich nicht, du wirst dir noch eine Muskelzerrung holen.«
    Sie sitzen an einem quadratischen Ecktisch neben der hölzernen Hulatänzerin.
    »Wann bist du angekommen?«
    »Vor ungefähr einer Stunde.«
    »Vor mir.«
    »Was gibt es Neues?« Sie winkt eine Kellnerin herbei und bestellt einen Wodka Tonic.
    »Einen Brandy für mich«, sagt der Psychologe.
    »Du nimmst also die Brandy-Route?«, sagt Nina.
    »Den sichersten Weg«, nickt er. Er sieht sie an. Ihre Haut schimmert in dem diffusen Licht. Mandelförmige Augen, die gewölbte Linie der Lippen. Ihr Haar ist kurz und streng, wie er es in Erinnerung hat. Ihr Hals ist lang, dünn, sitzt auf breiten Schultern.
    »Erzähl mir, wie es dir geht.«
    »Im Großen und Ganzen recht gut. Ich habe ein Angebot aus Palo Alto. Vom Institut für Verhaltensmedizin. Sie sind gewillt, mein Gehalt zu verdoppeln.«
    »Weit weg von hier«, murmelt er.
    »Ja.«
    »Wirst du die akademische Lehre aufgeben?«
    »Ich bin Klinikerin. Ich mag alte, ausgebrannte, kaputte und behinderte Menschen. Junge, glänzende Studenten verderben mir die Laune.«

    »Du wirst nach Kalifornien ziehen? Was wird dein Mann machen? «
    »Wir werden ein altes Haus kaufen. Er wird daran arbeiten.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Mal so, mal so; unvorhersehbar von einem Tag zum nächsten. Gerade jetzt verschlimmert es sich. Er leidet an Schwindel, und er hat Probleme mit dem Sehen, Schwierigkeiten beim Gehen. Vor einem Monat ist er auf der Treppe zusammengebrochen.«
    Der Psychologe nickt.
    »Ich hoffe, es geht ihm bald wieder besser«, sagt er.
    Sie wirft ihm einen festen, finsteren Blick zu.
    »Ein Teil von mir möchte das«, sagt er.
    Sie nickt kaum merklich. Ihr Gesichtsausdruck wird milder.
    »Wie steht es zwischen euch beiden?«, fragt er.
    Sie seufzt. »Ganz gut. Wir kommunizieren. In die Stadt zu ziehen wird ihm guttun, glaube ich. In die Nähe seiner Familie und einer anständigen medizinischen Einrichtung …«
    Der Psychologe sucht etwas in seiner Jackentasche, zieht eine zerknitterte Plastiktüte heraus und entnimmt ihr einen kleinen Teddybären, der Becken in den Pfoten hält. »Für Billie«, sagt er. »Sag ihr, er sei von dir.«
    »Du bist süß.« Sie beugt sich herüber und küsst ihn auf die Wange.
    Die Kellnerin taucht auf und steht mit einem Tablett mit Getränken vor ihnen. Sie stellt zwei Gläser auf den Tisch. Als sie sich herunterbeugt, sieht er die Umrisse ihrer Brüste in dem großzügigen Ausschnitt ihrer Bluse. Sie erscheinen ihm wie schwere Euter, und beim Anblick ihrer nachgiebigen Reife steigt eine plötzliche Freude in ihm auf.
    »Es wird eine zweite Runde geben«, sagt er zu ihr. Sie lächelt und nickt.

    »Wie geht es

Weitere Kostenlose Bücher