Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
habe Hilfe; meinen Herrn und Erlöser«, antwortet er und presst die rechte Hand an die Brust.
»Nur weil Sie mit ihm reden, heißt das noch lange nicht, dass Sie nicht auch mit mir reden können«, sagt der Psychologe ruhig.
Schweigen.
Der Junge mit der Krawatte sitzt aufrecht und mit zusammengepressten Lippen auf seinem Stuhl.
»Es muss schwierig sein für jemanden wie Sie, einen Gläubigen, ein solches Seminar zu besuchen, das sich mit säkularen Themen und Wissenschaft beschäftigt …«
»Meine Anwesenheit hier ist wichtig; ich habe hier eine Rolle«, sagt der Junge.
Der Psychologe nickt. »Ich freue mich, dass Sie sich zur Teilnahme entschlossen haben; Ihre Perspektive bereichert das Gespräch in der Klasse.« Er steht da und wartet.
Schweigen.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«, sagt der Junge schließlich.
»Eine Frage, aber sicher.«
»Die Situation bei mir zu Hause … verstehen Sie, meine Leute sind gläubig. Und ich, wissen Sie, ich war immer der Rebell; ich habe ihnen das Leben während der Highschool zur Hölle gemacht. Ich steckte ständig in Schwierigkeiten. Mein großer Bruder war der Gute, ein Einserstudent, mit Auszeichnungen, in der Kirche aktiv, im Chor und im Schulorchester, ein guter Junge, höflich, beliebt. Wir standen einander nicht wirklich nahe. Wir sind sechs Jahre auseinander. Als Kind habe ich ihn bewundert, aber ich konnte nie mit ihm konkurrieren, und deshalb, Sie finden das wahrscheinlich nicht überraschend, habe ich einen anderen Weg für mich gefunden; wenn man nicht mit ihnen mithalten kann, muss man sie schlagen, wissen Sie … Wie auch immer, nach dem College ging er nach Kalifornien, bekam dort einen Job, und seit er weggegangen ist, stehen wir einander näher, wir mailen uns. Er hat mir geholfen, mir Mut zugesprochen und mir gesagt, ich solle mich um unsere Eltern kümmern. Vor einem Jahr erkrankte mein Vater an Krebs. Für
meine Mutter war das schwer. Dad war immer der Starke, wissen Sie. Ich saß das ganze Jahr über bei ihm im Krankenhaus. Er verlor immer wieder das Bewusstsein. Manchmal wurde er nachts wach und flüsterte: Nathan. Nur ein Flüstern, doch ich wachte auf und sagte: Ich bin da. Und er döste wieder weg. Ich war bei ihm, als er starb. Damals habe ich das Licht gesehen. Damals trat der Erlöser in mein Leben. Wie auch immer, vor einem Monat lud mein Bruder mich ein, ihn zu besuchen. Ich war über das Wochenende dort. Er lebt mit einem anderen Typen zusammen. Zuerst dachte ich, sie wohnten nur zusammen, aber dann, wissen Sie, dann hat er gebeichtet. Er erzählte mir, dass er schon immer … dass er sich schon immer anders gefühlt hat. Sie sind jetzt seit zwei Jahren zusammen, und sie wollen ein Kind adoptieren, sie wollen heiraten oder so etwas Ähnliches wie heiraten, sie haben solche Zeremonien dort in Kalifornien. Er möchte, dass ich ihn, seinen Weg, akzeptiere. Und es war eigentlich nicht schwer für mich. Die Gnade des Erlösers gilt für alle gleichermaßen; Sie wissen, dass wir alle Sünder sind. Ich bin kein Richter. Es gibt nur einen Richter. Nur Er kann richten. Und da Er mich wieder aufgenommen hat, wer bin ich dann zu richten? Aber jetzt möchte mein Bruder, dass ich ihm helfe, es Mom beizubringen. Er sagt, er hat es satt, sich zu verstecken und anderen etwas vorzumachen. Er möchte, dass sie zu ihrer Zeremonie kommt. Es ist ihm wichtig. Er besteht darauf. Und ich verstehe ihn, wirklich, aber ich weiß nicht, ob Mom das schafft. Sie ist eine Gläubige alter Schule, und sie hat nicht mehr so viel Kraft wie früher, wissen Sie; sie ist alt. Und was sie durchmachen musste … Ich weiß nicht, ob es richtig ist, ihr das aufzubürden. Sie liebt meinen Bruder sehr, sie verehrt ihn. Ich glaube nicht, dass sie imstande wäre, damit umzugehen. Ich habe deswegen viel gebetet. In der Bibel
steht: Du sollst die Sünde hassen, nicht den Sünder. Und er ist mein Bruder, er gehört zur Familie. Er verdient es, sein Leben zu leben, der zu sein, der er ist, denke ich. Aber vielleicht kann er noch ein paar Jahre warten; wie lange wird sie denn noch zu leben haben? Warum ihr das Herz brechen?« Er hebt den Blick und sieht den Psychologen an.
»Eine menschliche Situation«, sagt der Psychologe und nickt, »ein komplexes menschliche Dilemma. Und Sie sagten, Sie hätten eine Frage?«
»Was soll ich tun? Was ist das Richtige?«
»Ich weiß es nicht«, sagt der Psychologe. »Aber mir scheint, dass Sie diese Frage aus einer Haltung des Mitgefühls heraus
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