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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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Neugier hat über die Zurückhaltung gesiegt.« Er seufzte. »Dort habe ich entdeckt, dass der Abt einen regen Briefwechsel mit diesem Mann pflegt. Es ist ein Dominikanermönch namens Scipio Lazarus. Er scheint in Rom viel Einfluss zu besitzen, ebenso wie im Languedoc, in Toulouse.«
    »Scipio Lazarus«, wiederholte Ignazio langsam. Er hörte diesen Namen zum ersten Mal.
    »Aus den Briefen, die ich gelesen habe, erfuhr ich, dass Rainerio seine Ernennung zum Abt diesem Mann verdankt. Deswegen ist er ihm etwas schuldig.«
    Ignazio strich sich nachdenklich über den Bart. »Eines ist sicher, der Tod von Maynulfo da Silvacandida und die Ernennung Rainerios hängen mit diesem Scipio Lazarus zusammen. Der neue Abt ist wohl nur eine Marionette in dessen Händen.«
    »Das ist offensichtlich. Allerdings habe ich diesen Briefen noch etwas anderes entnommen. Etwas, das Euch betrifft.«
    Ignazio sah den alten Mönch scharf an. »Und was?«
    »Scipio hat ein großes Interesse an Euch und verlangt, dass Rainerio ihn über alles auf dem Laufenden hält, was er über Euch in Erfahrung bringen kann.«
    Als Ignazio das hörte, fühlte er sich, als wäre er in ein Spinnennetz gerannt, dessen Ausmaße er nicht kannte, als hätte sich vor ihm ein bodenloser Abgrund aufgetan. Er ahnte, dass das Kloster Santa Maria del Mare ihm keine sichere Zuflucht mehr bot und von nun an auch für sein Geheimnis kein geeignetes Versteck mehr sein würde.
    Er musste so schnell wie möglich von hier verschwinden.

10
    In den folgenden Tagen hielt sich Ignazio meist in seinem Zimmer auf. Manchmal sah man ihn in die Bibliothek gehen, um mit Gualimberto zu plaudern, nur selten suchte er die Gesellschaft des Abtes. Er wartete auf Willalmes Rückkehr.
    Wenn er im Hof spazieren ging, traf er häufig den jungen Uberto. Zunächst grüßten sie einander nur, dann wechselten die beiden ein paar Worte, später führten sie lange Gespräche, bis zwischen ihnen eine besondere Freundschaft entstand, die ein wenig an ein Verhältnis wie zwischen Schüler und Lehrer erinnerte.
    Der Junge war im Kloster aufgewachsen, aber er fühlte, dass er anders war als seine Mitbrüder. Und obwohl er sich wie sie nicht vom Kloster entfernen durfte, war er weder Mönch noch Knecht. Oft schon hatte man ihn gefragt, ob er nicht das Gelübde ablegen wolle, doch das hatte er immer wieder abgelehnt. Er war zu sachlich veranlagt, um der Faszination dieser Berufung zu erliegen. Darüber hinaus hatte er, obwohl er große Zuneigung für die Klostergemeinschaft empfand, dort niemanden gefunden, der auf die gleiche Weise zu denken und zu fühlen schien wie er. Die Mönche lebten in ihrer ganz eigenen Welt aus Schweigen und Zurückgezogenheit, wo man dem Leben außerhalb der Klostermauern wenig Bedeutung zumaß, genauso wenig wie den menschlichen Empfindungen.
    Der Händler von Toledo war anders. Er hatte bestimmt einen schwierigen und anspruchsvollen Charakter, aber in seiner Gesellschaft fühlte Uberto sich wohl.
    In gewisser Hinsicht war Ignazio ihm sehr ähnlich. Er war ein rational denkender, wissbegieriger Mann, der sich irgendwo in der Mitte zwischen der Welt der Laien und der Kirchenleute bewegte. Außerdem war er viel gereist, und das faszinierte den Jungen sehr.
    Während der Gespräche wuchs zwischen ihnen eine ganz eigene Vertrautheit. Eines Tages brachte der Händler ihm sogar das Schachspiel bei, wenn auch auf eine ungewöhnliche Art: Für ihn war das Schachbrett eine Allegorie des Lebens, und während er die Züge der Spielfiguren beschrieb, nutzte er diese Gelegenheit, sie mit menschlichem Verhalten zu vergleichen und mit dem, was jemandem zustoßen kann, der die Geschehnisse nicht genau zu deuten weiß.
    Uberto war davon begeistert. Er begriff, dass Ignazio ein ganz besonderer Mensch war. Der Händler betrachtete das Leben aus einer ganz persönlichen Warte, verschanzte sich stets hinter einem leichten Lächeln und Augen, die alles beobachteten, ohne selbst Einblicke zu gewähren. Und wie Uberto bald herausfinden sollte, verbarg sich hinter all seinen Handlungen stets ein weiteres Ziel.
    Nach einer Woche des Wartens machte ein Boot in der Nähe des Klosters Santa Maria del Mare fest.
    Willalme war zurückgekehrt.

11
    Es war Mittag, als Uberto ins Arbeitszimmer des Abtes gerufen wurde. Sobald er diese Nachricht erhielt, eilte er zum Castrum abbatis und fragte sich auf dem Weg, was wohl der Grund dafür sein könnte. Er fand den Abt in Gesellschaft von Ignazio, die beiden saßen

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