Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
flüchtig und war enttäuscht, dass er sich gleich wieder auf den Weg machen sollte, ohne deren berühmte vergoldeten Deckengewölbe besichtigen zu können, die ihr den Beinamen ad cœlum aureum eingetragen hatten.
Nachdem sie drei Pferde erworben hatten, ritten die Gefährten im Schritt an der Basilika vorbei. Während Uberto versuchte, sein störrisches Reittier zu bändigen, bewunderte er das große Portal. Ein Halbbogen wölbte sich über ihm, und darüber war das Abbild eines Engels angebracht, der in der einen Hand eine Blume und in der anderen eine Erdkugel trug, zu seinen Seiten waren zwei betende Menschen, ein Bauer und ein König, zu sehen.
Nachdem er seinen Blick von der Basilika gelöst hatte, bemerkte Uberto, dass Willalme die Zügel seines Pferdes ergriffen hatte.
»Halte die Füße fest in den Steigbügeln und zerr nicht am Zaumzeug«, ermahnte ihn der Franzose. »Dann wird dein cheval auch nicht mehr bockig sein.«
Uberto folgte lächelnd seinem Rat. Sie trieben ihre Tiere an und galoppierten Richtung Turin.
26
Es war nun eine Woche her, dass Ignazio vom Kloster Santa Maria del Mare aufgebrochen war. Rainerio da San Donnino hatte diese Tage nach allem, was er herausgefunden hatte, in großer Sorge verbracht. Ignazio war nicht nur ein Hexer, ein Teufelsanbeter, sondern reiste auch noch in Gesellschaft eines Ketzers. Mochten sie erzählen, was sie wollten, dieser Willalme de Béziers roch förmlich nach Katharer.
Die Frage war nun, was ein venezianischer Edelmann wie Enrico Scalò mit diesen Schurken zu schaffen hatte. Rainerio vermutete, dass Ignazio ihn getäuscht und ihm das Blaue vom Himmel herunter versprochen hatte. Oder schlimmer noch, er schmiedete Ränke, um in den höheren Kreisen von Rialto den Samen der Häresie zu verbreiten.
Obwohl Rainerio sicher war, Ignazios Verderbtheit entdeckt zu haben, konnte das seine Eifersucht nicht mindern. Warum nur hatte Maynulfo den Händler so geliebt, dass er sich mit dessen Geheimnis belastete? Und war dieses Geheimnis in der Truhe versteckt, oder befand es sich an einer anderen Stelle innerhalb der Mauern dieses Klosters?
Nachdem er den Brief des Conte Scalò an Ignazio gelesen hatte, hatte Rainerio unverzüglich ein Schreiben an den Rektor der Kirche Santi Maria e Donato auf der Insel Murano bei Venedig verfasst und ihn darum gebeten, ein Treffen mit dem Conte zu veranlassen. Er wollte ihn vor Ignazio warnen. Und falls der Conte ihn abweisen oder misstrauisch reagieren sollte, würde er auf jeden Fall versuchen, mehr über den Händler zu erfahren, um es an seinen Wohltäter, Scipio Lazarus, weiterzugeben.
Nach tagelangem Warten kam schließlich die Antwort vom Rektor der Kirche auf Murano, und ihr Inhalt übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Rainerio las die Nachricht mit gerunzelter Stirn immer wieder. Darin stand, dass ein Treffen mit Conte Scalò nicht mehr möglich sei, da man ihn am vergangenen Montag im Morgengrauen aufgehängt und mit zerschmetterten Beinen am Hauptmast eines Schiffes aufgefunden habe.
Ein schreckliches Verbrechen. Der Täter konnte zwar nicht gefunden werden, aber ein Seemann schwor bei den Reliquien des heiligen Markus, dass er gesehen hatte, wie man den Conte dort aufgehängt habe. Das sei kurz vor Sonnenaufgang geschehen, und zwar durch schwarz gekleidete Männer, die ihre Gesichter hinter Masken verborgen hatten. Der Seemann hatte noch versucht, dem Opfer zu Hilfe zu eilen, doch man hatte ihn mit dem Tode bedroht und verjagt.
Äußerst verärgert strich Rainerio das Schreiben glatt. Ein Zusammenhang mit dem Treffen zwischen Scalò und Ignazio war zu offensichtlich, als dass es sich um einen Zufall handeln konnte. Mörder! Dieser Spanier war also auch noch ein Mörder! Das musste er unbedingt Scipio Lazarus mitteilen. Er würde wissen, was zu tun war.
Rainerio nahm das Tintenfass und einen Bogen Pergament zur Hand und begann zu schreiben. Und während er bedachtsam seine Worte wählte, dachte er daran, wie lange dieser Brief unterwegs sein würde. Seit einiger Zeit hielt sich Scipio Lazarus nicht mehr im Dominikanerkonvent von Bologna auf, sondern in Toulouse, im Kloster Saint-Romain.
Der Abt erinnerte sich zurück an das Jahr des Herrn 1210, als er ihn in Bologna kennengelernt hatte; das war Anfang Januar gewesen, und es hatte geschneit. Rainerio hatte eingehüllt in einen Umhang aus grober Wolle im Kreuzgang von San Niccolò gewartet. Scipio Lazarus war dann plötzlich aus dem Schatten getreten, mit
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