Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
gesenktem Haupt, das Gesicht von der Kapuze verborgen. Rainerio wusste wenig über ihn. Man erzählte sich, er habe zu den ersten Mönchen gehört, die sich der Dominikanerbewegung unter der Führung von Bruder Dominikus de Guzmàn angeschlossen hatten. Anscheinend hatte er sehr einflussreiche Freunde sowohl bei der römischen Kurie als auch im Ausland.
»Seid Ihr Rainerio da San Donnino?«, hatte ihn Scipio Lazarus gefragt.
»Ja, Pater. Warum habt Ihr mich rufen lassen?«
Bei diesen Worten hatte der andere seine Kapuze nach hinten geschlagen und ein von schrecklichen Narben entstelltes Gesicht gezeigt. Rainerio erinnerte sich beschämt daran, dass er wie ein erschrockenes Kind zurückgewichen war. Er hatte jedoch nie zuvor Ähnliches gesehen und konnte sich auch nicht vorstellen, jemals etwas Grauenhafteres zu erblicken.
»Lasst Euch von meinem Aussehen nicht erschrecken.« Scipio Lazarus hatte verlegen die Augen gesenkt. Er wusste nur zu gut, dass sein Anblick abstoßend wirkte. »Ich wollte Euch treffen. Ich weiß, dass Ihr nach dem Amt eines Abtes strebt.«
»Wie könnt Ihr davon wissen?«
»Ich bin in der Lage, Euch diesen Posten zu verschaffen«, hatte Scipio Lazarus seine Frage einfach übergangen. »Ich weiß von einem recht begüterten Kloster an der Adria, dem ein sehr alter Abt vorsteht … Ich muss Euch nur dorthin versetzen lassen, und Ihr könntet warten, dass er stirbt. Das kann nicht mehr lange dauern. Und dann sorge ich dafür, dass Ihr sein Nachfolger werdet.«
»Ihr schmeichelt mir, aber warum wollt Ihr mir helfen? Ich kenne Euch nicht, und ich habe nichts, was ich Euch als Gegenleistung für eine solche Gefälligkeit anbieten könnte.«
»Ich werde dafür nur eine Kleinigkeit von Euch verlangen: Hilfe bei einer lästigen Angelegenheit, die mir sehr am Herzen liegt.«
»Erklärt Euch.«
»Ich suche nach Neuigkeiten über einen spanischen Händler, der ebenjenem Kloster verbunden ist, für das ich Euch als Abt vorschlagen würde. Früher oder später wird er dorthin zurückkehren. Ich bitte Euch, Auskünfte über ihn einzuholen und mir zu berichten, was Ihr herausfindet.«
Das hatte Rainerio nicht als großes Opfer angesehen. »Wenn das alles ist, bin ich mit Vergnügen dazu bereit«, hatte er gesagt, ohne zweimal nachzudenken. »Wie heißt der Mann, über den ich Nachforschungen anstellen soll?«
»Ignazio da Toledo.« Scipio hatte diese Silben hervorgestoßen, als spucke er kleine Steinchen aus.
Von diesem Augenblick an verlief das Leben von Rainerio glatt und ohne jede Hindernisse. Auf Empfehlung von Scipio Lazarus war er sofort ins Kloster Santa Maria del Mare berufen worden, und nach wenigen Jahren war er sehr zur Enttäuschung verdienstvollerer Mitbrüder Maynulfo da Silvacandida als Abt nachgefolgt.
Nach diesem Blick zurück wandte sich Rainerio wieder dem Brief an seinen Wohltäter zu. Nun war der Moment gekommen, wo er seine Schuld zurückzahlen konnte, indem er ihm all das enthüllte, was er nach Jahren geduldigen Wartens über den Händler von Toledo herausgefunden hatte.
27
Die Reise nach Turin dauerte vier Tage. Ignazio und seine Begleiter kamen zügig voran und machten jede Nacht in einer anderen Pilgerherberge längs des Weges halt. So konnten sie sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit stärken und ausruhen.
Nachdem sie die Stadtmauern Turins hinter sich gelassen hatten, waren sie der Dora Riparia so lange flussaufwärts gefolgt, bis sie zu den Pfaden des Susatals kamen.
Dort mussten sie jedoch feststellen, dass alle Herbergen, Gasthäuser und sogar die Ställe überfüllt waren mit Pilgern, die auf der Via Francigena unterwegs waren, und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Nacht unter freiem Himmel zu Füßen des Monte Pirchiriano zu verbringen. Am nächsten Tag würden sie von dort aus innerhalb weniger Stunden die Abtei San Michele della Chiusa erreichen.
Sie entzündeten ein Feuer, aßen etwas Dörrfleisch und altbackenes Brot, dann legten sie sich neben der Glut schlafen.
Uberto war erschöpft, aber glücklich. Der Händler hatte ihm versprochen, dass sie auf der Rückreise mehr Zeit haben würden und er dann alle Städte besichtigen könnte, an denen sie nun hastig vorbeigezogen waren. Er sog die Luft in tiefen Zügen ein. Sie war ganz anders als in den Lagunen, an denen er groß geworden war, viel leichter und klarer. Sie duftete nach Harz und Tannennadeln und kitzelte in der Nase.
Einen Moment lang dachte er über das Geheimnis nach, das sie in
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