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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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nickte.
    »Es galt als verschollen.«
    Slawnik erwiderte nichts, sondern holte das Holzstück mit der Inschrift unter seinem Lederwams hervor und legte es vor die beiden Männer auf den Tisch, die es so andächtig betrachteten wie eine Reliquie.
    »Was steht dort?«, fragte schließlich einer.
    »Ich glaube, dass nur Dominus es entschlüsseln kann.« Der Böhme nahm das Stück Holz wieder an sich und verbarg es unter seinem Gewand. »Ich muss zu ihm. Im Moment hält er sich unter falschem Namen in Toulouse auf.« Er schwieg einen Moment, als schäme er sich, um Hilfe zu bitten, dann fuhr er fort: »Es könnte Schwierigkeiten geben: Drei Männer sind dem Buch ebenfalls auf der Spur, und sie haben zwei Tage Vorsprung. Nachdem wir Dominus um Rat gefragt haben, werden wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen sollen.«
    Die beiden nickten.
    »Noch eins«, sagte Slawnik.
    »Sprecht.«
    »Solltet ihr mich in irgendeiner Weise behindern, werde ich euch eigenhändig umbringen.«

35
    Die Überquerung der Alpen gestaltete sich überaus anstrengend. Ignazio und seine Begleiter konnten lange Strecken nur zu Fuß zurücklegen, weil die Pferde über das unebene Gelände geführt werden mussten.
    »Im Winter ist es noch schwieriger«, erklärte der Händler. »Wenn Schnee und Eis die Pfade bedecken, haben die Bergbewohner eine ganz eigene Weise, um Reisende ins Tal zu bringen: Die Männer ziehen sie auf Tierhäuten hinter sich her. Hin und wieder rutscht dabei einer ab und stürzt in die Tiefe …«
    »Und die Pferde?«, fragte Uberto. »Wie schaffen sie im Winter die Pferde ins Tal?«
    »Denen ergeht es genauso, den armen Tieren«, erwiderte Ignazio lächelnd.
    Nachdem sie die Alpen hinter sich gelassen hatten, reisten sie weiter Richtung Westen und drangen in waldreiches Gebiet vor. Sie überquerten die Rhone bei Avignon über den Pont Saint-Bénézet und folgten dem Flusslauf Richtung Meer. Zehn Tage nach ihrem Aufbruch von San Michele della Chiusa erreichten sie eine Pilgerherberge bei Nîmes, wo sie übernachteten.
    Im Laufe der Reise hatte Uberto Gelegenheit gehabt, die liebliche Landschaft des Languedoc kennenzulernen, wo sich der Duft der Weinberge mit der salzigen Meeresluft mischte. Vor allem die Sprache der Einheimischen erweckte sein Interesse, die so anders klang als Latein oder das italienische Volgare. Oft versuchte er, wenn er ein Wort oder eine besondere Redewendung aufgeschnappt hatte, es zu wiederholen, und fragte Willalme nach seiner Bedeutung.
    Ignazio freute sich über die Begeisterung des Jungen, doch tief in seinem Herzen war er voller Sorge. Ihm fehlten noch so viele Teile des Mosaiks. Er wusste weder, was Viviën zugestoßen war, noch, was für ein Leben er in den vergangenen Jahren geführt hatte. Ob er weiter im Verborgenen gelebt hatte, so wie er selbst, oder ob es ihm gelungen war, die Heilige Vehme abzuschütteln. Außerdem begriff Ignazio nicht, warum Viviën seinen Tod vorgetäuscht hatte, falsche Spuren legte und geheimnisvolle Kryptogramme hinterließ. Und schließlich hatte er keine Vorstellung davon, was das »Uter Ventorum« wirklich war.
    Von seinen Sorgen gequält, blickte er auf und sah Willalme und Uberto im rötlichen Schein der untergehenden Sonne vor sich, die am Geländer der Veranda der Pilgerherberge lehnten. Er würde auf jeden Fall verhindern, dass der Junge irgendeiner Gefahr ausgesetzt wurde.
    Plötzlich tauchte vor seinem geistigen Auge das Bildnis einer Frau auf. Ein wunderschönes Antlitz, das er geliebt hatte und immer noch verzweifelt liebte.
    »Sibilla«, flüsterte er. Ich bemühe mich, dass alles wieder gut wird, meine Liebe, dachte er. Und hoffe, dass ich dich bald in meine Arme schließen kann.
    Wenige Schritte von Ignazio entfernt bewunderten Uberto und Willalme die untergehende Sonne über den Hügeln. Ihre feurigen Farben beleuchteten sanft die Gesichter der beiden, auch wenn ihre Strahlen kaum noch wärmten.
    Uberto wies auf den Händler, der auf einem Korbstuhl saß. »Heute Abend wirkt er sehr traurig«, sagte er.
    »Das geht ihm immer so, wenn er an seine Heimat und an seine Familie denkt«, verriet ihm der Franzose.
    »Er spricht nie darüber.«
    »So ist es ihm lieber.«
    »Ich weiß nicht, was es bedeutet, eine Familie zu haben … oder Eltern.« Ein Anflug von Kummer huschte über Ubertos Gesicht. »Meine einzige Familie war die Klostergemeinschaft von Santa Maria del Mare. Aber ich habe mich den Mönchen nie zugehörig gefühlt.«
    »Mein Vater war ein

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