Der häusliche Herd
diese
anzetteln?
Er wollte sich entschuldigen und den Sachverhalt darlegen. Aber
sie schnitt ihm das Wort ab. Sie beschuldigte ihn, die Nacht bei
den Duverdys mit dem Aufsuchen des Testamentes zugebracht zu haben,
um gewisse Punkte hineinzuschmuggeln. Als er lachend fragte,
welches Interesse er daran haben könne, antwortete sie:
Ihr Interesse, Ihr Interesse … Kurz! Da
es Gott gefiel, Sie zum Zeugen des Schlaganfalls zu machen, hätten
Sie eilen sollen, uns davon zu verständigen. Denken Sie nur, wenn
ich nicht wäre, würde meine Tochter noch jetzt nichts wissen. Wäre
ich nicht auf die erste Nachricht über die Stiege hinuntergerast,
würde sie leer ausgehen. Ei! Ihr Interesse? Kann man wissen? Wenn
auch Frau Duverdy sehr welk aussieht, gibt es doch vielleicht
manchen, der minder wählerisch ist und mit ihr fürlieb nimmt.
Oh! Mama! sagte Berta, Clotilde, die so ehrbar ist!
Frau Josserand zuckte mit dem Ausdruck des Mitleides die Achseln
und sagte:
Laß' gut sein! Du weißt doch, daß man fürs liebe Geld alles
tut!
Octave mußte ihnen den Hergang des Schlaganfalls erzählen. Sie
warfen einander Blicke zu: Es ist wohl – meinte die Mutter –
schwerlich mit rechten Dingen zugegangen. In der Tat ist Clotilde
zu gütig, daß sie der Familie die Gemütsaufregung ersparen wollte.
Sie ließen dann den jungen Mann an die Arbeit gehen, ohne darum
weniger Zweifel über seine Rolle in der Angelegenheit zu haben.
Ihre lebhaften Erörterungen dauerten fort.
Wer wird die im Vertrage verschriebenen 50 000 Franken
bezahlen? sagte Frau Josserand. Wenn der Alte einmal unter der Erde
ist, wird man dem Gelde nachlaufen können.
Ah! die 50 000 Franken, versetzte Berta ganz verlegen. Du
weißt, daß er ebenso wie ihr nur 10 000 alle sechs Monate zu
entrichten hatte. Wir sind noch nicht daran; das Beste wird sein zu
warten.
Warten! Vielleicht meinst du gar, er werde zurückkommen und dir
das Geld mitbringen … Du bist eine rechte Gans! Willst du dich
bestehlen lassen? … Du wirst sie sofort von der Erbschaft
fordern. Wir leben, Gottlob! Niemand weiß,
ob wir zahlen werden oder nicht; er aber ist tot, er muß also
zahlen.
Sie beschwor ihre Tochter, daß sie nicht nachgebe; sie habe
niemandem ein Recht dazu gegeben, sie für eine dumme Person zu
halten.
Während sie in dieser Weise sich erging spitzte sie zuweilen die
Ohren gegen die Decke wie in der Absicht, durch das Erdgeschoß
hören zu wollen, was oben im ersten Stock bei den Duverdy vorgehe.
Das Zimmer des Alten mußte gerade über ihrem Kopfe liegen. August
war zu seinem Vater hinaufgegangen, sobald sie ihn mit der Sachlage
bekannt gemacht hatte. Das beruhigte sie jedoch nicht; sie wäre am
liebsten selber dort gewesen, denn sie witterte immer geheime
Anschläge.
So geh doch hin! schrie sie endlich in ihrer aufs höchste
gesteigerten Erregung. August ist zu schwach, sie unterlassen gewiß
nicht, ihn »einzufädeln«.
Berta ging also hinauf.
Octave, mit der Herrichtung der Auslage beschäftigt, hatte ihnen
zugehört. Als er sich mit Frau Josserand allein sah und diese auf
die Türe zukam, fragte er sie, in der Hoffnung einen Tag frei zu
bekommen, ob es nicht schicklich sei, den Laden zu schließen.
Wozu denn? sagte sie. Warten Sie, bis er tot ist. Keine Ursache,
die heutige Losung zu verlieren
Als er einen Rest hochroter Seide zusammenfaltete, fügte sie
hinzu, um die Derbheit ihrer früheren Rede etwas zu
beschönigen:
Sie dürfen allerdings heute keine roten Stoffe in die Auslage
geben.
Oben fand Berta ihren Gatten bei seinem Vater.
Das Zimmer hatte sich seit dem Tag zuvor nicht geändert, es war
immer noch dumpfig, still, von einem langen und qualvollen Röcheln erfüllt. Auf dem Bette ruhte
der Greis, ganz starr, aller Sinne beraubt, jeder Bewegung unfähig.
Das Eichenkästchen voller Zettel lag noch auf dem Tisch. Kein
Einrichtungsstück schien vom Platze gerückt, oder auch nur geöffnet
zu sein. Die Duverdy sahen indes mehr niedergeschlagen aus und
müde, als sie wohl sein mußten nach einer schlaflosen Nacht, mit
unruhig zuckenden Augenlidern infolge der fortwährenden inneren
Erregtheit. Um sieben Uhr hatten sie Hyppolite ins Gymnasium
Bonaparte wegen ihres Sohnes Gustav geschickt, und das Kind, ein
Knabe von sechzehn Jahren, schmächtig und aufgeschossen, stand da,
um diesen unerwarteten Feiertag inmitten der allgemeinen Bestürzung
bei einem Sterbenden zu verbringen.
Ach, meine Teure, welch' entsetzlicher Schlag! sagte Clotilde,
indem sie
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