Der häusliche Herd
erdrosselt zu werden
fürchtete, wollte mit dem Herrn über die Sache reden, allein dieser
erklärte ganz einfach:
Der Herr Direktor hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, daß, wenn
man gut genug ist, seinen Eltern Geld zu geben, man wohl auch gut
genug sei, bei ihnen zu leben.
Aber er ist ja verrückt, mein Herr! Er wird uns umbringen!
Als er unterschreiben sollte, war er nicht verrückt, entgegnete
der Herr und entfernte sich ruhig.
Saturnin kehrte übrigens ganz ruhig zurück mit den Händen in den
Taschen, als komme er von einem Spaziergang in den Tuillerien. Er
sagte kein Wort über seinen Aufenthalt im Tollhause. Er umarmte
seinen Vater, der Tränen der Rührung vergoß, und küßte seine Mutter
und Hortense, die beide in Furcht erbebten. Als er dann Berta
bemerkte, schien er entzückt; sie benützte rasch die zärtliche
Stimmung, in der sie ihn sah, um ihn davon zu unterrichten, daß sie
schon verheiratet sei. Er zeigte keine Aufregung darüber, schien
anfangs nicht einmal zu begreifen, als habe er seine wahnsinnigen
Anwandlungen von ehemals vergessen. Allein als sie hinuntergehen
wollte, begann er zu heulen. Es sei ihm gleichviel, ob sie
verheiratet sei, rief er, wenn sie nur immer da bleibe, bei ihm,
mit ihm. Als sie das entsetzte Gesicht ihrer Mutter sah, die schon
davonlaufen wollte, um sich einzuschließen, kam Berta auf den
Gedanken, Saturnin zu sich ins Haus zu
nehmen. Man werde ihn im Kellermagazin schon irgendwie verwenden
können, und sei es nur dazu, die Pakete zusammenzubinden.
Am Abend brachte sie ihrem Gatten die Sache vor, und trotz
sichtbarem Widerstreben gab August endlich ihrem Wunsche nach. Sie
waren kaum drei Monate verheiratet, und schon entstand zwischen
ihnen eine dumpfe, immer mehr anwachsende Uneinigkeit. Es war die
fortwährende Reibung von zwei verschiedenen Naturen und
Erziehungen: ein mürrischer, zaghafter, leidenschaftsloser Gatte
und eine Frau, die in dem schwülen Treibhause eines falschen
Pariser Luxus aufgeschossen, lebhaften Wesens, das Leben
auszubeuten, es für sich allein zu genießen suchte als
selbstsüchtiges, verschwenderisches Kind.
Er hatte kein Verständnis für ihr fortwährendes Bedürfnis nach
Bewegung, für ihre unaufhörlichen Ausgänge, um Besuche zu machen,
spazieren zu gehen, Wettrennen beizuwohnen, Theater,
Festlichkeiten, Ausstellungen zu besuchen. Zwei- bis dreimal
wöchentlich kam ihre Mutter, sie abzuholen; sie blieb dann aus mit
ihr bis zum Essen und war glücklich, die reichen Toiletten ihrer
Tochter zeigen zu können, die sie nicht mehr bezahlte. Die
Entrüstung des Gatten kehrte sich besonders gegen diese
auffallenden Toiletten, deren Nutzen er nicht begreifen konnte.
Wozu sei es gut, sich über seinen Rang und sein Vermögen zu
kleiden? In dieser Weise Geld auszugeben, das man im Handel weit
besser verwenden könne? Er pflegte zu sagen: Wenn man an andere
Frauen Seide verkauft, muß man selbst Wolle tragen. Allein bei
solchen Gelegenheiten nahm Berta die wütenden Mienen ihrer Mutter
an; sie fragte ihren Gatten, ob er sie nackt herumgehen lassen
wolle? Sie regte ihn noch mehr auf durch die zweifelhafte
Reinlichkeit ihrer Unterröcke, durch ihre Sorglosigkeit
hinsichtlich der Wäsche, die man nicht
sah. Sie hatte stets einige Redensarten in Bereitschaft, um ihm den
Mund zu stopfen,, wenn er bei der Sache beharren wollte.
Ich will lieber Neid als Mitleid erwecken. Geld ist Geld; und
wenn ich zwanzig Sous hatte, sagte ich immer, daß ich vierzig
habe.
Berta nahm in der Ehe ganz die Art ihrer Mutter an; ja sie
übertraf diese noch. Sie war nicht mehr das gleichgültige Mädchen
von ehemals, das sich den mütterlichen Maulschellen fügt. Sie war
ein Weib, entschlossen zum Widerstände, von dem festen Willen
erfüllt, alles ihrem Vergnügen dienstbar zu machen. August
betrachtete sie manchmal, erstaunt über diese schnelle Reife.
Anfangs fand sie eine stolze Freude darin, im Laden zu thronen in
einer ausgesuchten Toilette von eleganter Bescheidenheit. Doch ward
sie des Handels bald überdrüssig; sie fühlte sich unbehaglich in
dieser Unbeweglichkeit hinter dem Zahltisch und drohte, krank dabei
zu werden; sie fügte sich darein mit der Miene einer Unglücklichen,
die ihr Leben dem Geschäfte aufopfert. Von da ab gab es einen
unaufhörlichen Kampf zwischen ihr und ihrem Gatten. Sie zuckte
hinter seinem Rücken mit den Achseln wie ihre Mutter hinter dem
Rücken ihres Vaters. Sie begann alle jene häuslichen Zänkereien mit
ihm, die sie in ihrer
Weitere Kostenlose Bücher