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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Jugend gesehen; sie behandelte ihn als den
Mann, der einfach da ist, um zu zahlen, und überschüttete ihn mit
jener Verachtung gegen den Mann, die gleichsam die Grundlage ihrer
Erziehung war.
    Mama hat recht gehabt! rief sie nach jedem solchen Streite
aus.
    Und doch hatte August in der ersten Zeit sich bemüht, sie
zufriedenzustellen. Er liebte den Frieden, träumte von einer
bescheidenen, ruhigen Häuslichkeit, war launisch wie ein Greis, ein
Sklave der Gewohnheiten seines keuschen, sparsamen Junggesellenlebens. Da seine frühere
Wohnung im Zwischenstock nicht mehr genügte, hatte er jene im
zweiten Stockwerk auf den Hof hinaus genommen und glaubte, eine
törichte Verschwendung begangen zu haben, indem er sie mit einem
Aufwände von 5000 Franken möblieren ließ. Berta, die sich anfangs
glücklich fühlte in ihrem Zimmer mit Möbeln vom Holz des
Lebensbaumes mit blauer Seide überzogen, zeigte später nach einem
Besuch bei einer Freundin, die einen Bankier geheiratet hatte, die
größte Geringschätzung gegen eine solche Einrichtung. Der erste
Streit entstand unter ihnen wegen der Mägde. Die junge Frau, die an
schmutzige, arme Mägde gewohnt war, denen man das Brot vorschnitt,
stellte jetzt solche übertriebene Anforderungen an ihre Mägde, daß
diese halbe Tage weinend in der Küche zubrachten. Als August, der
sonst nicht eben übermäßig zartfühlend war, es sich einmal
einfallen ließ, der mißhandelten Magd einige beschwichtigende Worte
zu sagen, mußte er sie eine Stunde später aus dem Hause jagen, weil
seine Frau in Tränen zerfloß und ihm wütend zurief, daß er zwischen
ihr und »diesem Geschöpf« zu wählen habe. Nach dieser Magd kam eine
andere, die sehr pfiffig schien und sich danach benahm, bleiben zu
wollen. Sie hieß Rachel und schien eine Jüdin zu sein, obgleich sie
dies in Abrede stellte und ihre Heimat verleugnete. Es war ein
Mädchen von beiläufig 25 Jahren mit harten Zügen, einer großen Nase
und tief schwarzen Haaren. Anfangs erklärte Berta, daß sie diese
Person keine zwei Tage im Hause dulden werde; später aber zeigte
sie sich angesichts ihres stummen Gehorsams, ihres Benehmens, alles
zu begreifen und nichts zu reden, allmählich zufrieden; sie schien
jetzt ihrerseits sich zu fügen und die Magd um ihrer guten
Eigenschaften willen zu behalten, vielleicht auch aus geheimer
Furcht. Rachel, die sich ohne Widerrede die schwersten Arbeiten und dazu trockenes Brot
gefallen ließ, bemächtigte sich rasch der Hauswirtschaft, hielt die
Augen offen und den Mund geschlossen wie eine Dienstmagd, die der
verhängnisvollen, mit Sicherheit vorausgesehenen Stunde harrt, in
der die gnädige Frau es nicht mehr wagen wird, ihr das geringste zu
verweigern.
    Nach den Aufregungen, die das plötzliche Ableben des Herrn Vabre
hervorgerufen hatte, war übrigens im Hause – vom Erdgeschoß bis
hinauf zum Dienstbotenstockwerk – eine tiefe Ruhe gefolgt. Im
Treppenhause herrschte wieder die spießbürgerliche Stille einer
Kapelle. Kein Hauch drang aus den allezeit verschlossenen
Mahagonitüren hervor, hinter denen die tiefe Ehrbarkeit dieser
bürgerlichen Behausungen sich barg. Es ging das Gerücht, daß
Duverdy mit seiner Frau sich versöhnt habe. Valerie und Theophil
sprachen mit niemandem; steif und stolz gingen sie vorüber. Niemals
hatte das Haus den Anstrich strengerer Grundsätze gezeigt. Herr
Gourd, in Pantoffeln und Samtmütze, machte mit der Feierlichkeit
eines Kirchendieners seine Runde.
    Eines Abends gegen zehn Uhr ging August erregt im Laden auf und
ab; jeden Augenblick erschien er in der Türe und warf einen Blick
auf die Straße. Eine immer steigende Unruhe bemächtigte sich
seiner. Berta, die beim Essen von ihrer Mutter und ihrer Schwester
abgeholt war, ohne daß sie ihr Zeit gelassen hätten, ihren
Nachtisch zu verzehren, war nach dreistündiger Abwesenheit noch
nicht zu Hause, obgleich sie fest versprochen, zur Ladensperre
zurückzukehren.
    Mein Gott, mein Gott! sagte er endlich, krampfhaft die Hände
ballend.
    Er wandte sich an Octave, der damit beschäftigt war,
Seidenabschnitte auf einem Pulte zu beschreiben. Zu
dieser späten Abendstunde kam keine Kunde
mehr in diesen entlegenen Winkel der Choiseul-Straße. Man hatte nur
noch offen, um den Laden in Ordnung zu bringen.
    Sie müssen wissen, wohin die Damen gegangen sind! sagte er zu
dem jungen Manne.
    Dieser blickte mit überraschter, unschuldiger Miene auf.
    Aber, sie haben es Ihnen ja gesagt: zu einer Vorlesung.
    Die Vorlesung war um

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