Der häusliche Herd
hinter
dem Rücken ihres Gatten dreißig Franken von Octave, indem sie
vorschützte, daß sie ihre Geldbörse zu Hause vergessen habe. Sie
bezahlte solche Schulden niemals. Ein derartiges Verhältnis zu dem
jungen Manne habe ja keine Folgen, meinte sie; sie dachte nicht
viel darüber nach, sondern nützte ihn einfach aus. Dabei spielte
sie die Rolle einer pflichttreuen, mißverstandenen Dulderin
weiter.
An einem Sonnabend brach ein abscheulicher Streit zwischen den
Ehegatten los wegen 20 Sous, um welche die Küchenrechnung Rachels
nicht stimmte. Berta war hinaufgegangen, um die Rechnung in Ordnung
zu bringen, als August ebenfalls hinzukam; er brachte das
Wirtschaftsgeld für die folgende Woche.
Die Josserand sollten heute hier speisen, die Küche war voll
Vorräte: ein Kaninchen, eine Hammelkeule, Blumenkohl und
dergleichen. Neben dem Ausguß hockte Saturnin auf dem Steinpflaster
der Küche, er war beschäftigt, die Schuhe seiner Schwester und die
Stiefel seines Schwagers zu wichsen.
Es gab zuerst lange Erklärungen über den Verbleib
der 20 Sous, und schließlich brach der
Streit los. Wo war die Magd gewesen? Wie kann man 20 Sous
verlieren? August wollte die Rechnung nochmals addieren. Inzwischen
steckte Rachel den Braten an den Spieß immer ruhig, immer fügsam
trotz ihrer harten Züge mit geschlossenem Munde, aber offenen
Augen. Endlich übergab August seiner Frau die 50 Franken Küchengeld
und schickte sich an, wieder hinabzugehen! Allein die 20 Sous
ließen ihn nicht ruhen. Er kam zurück und sagte seiner Frau:
Das Geld muß sich ja doch finden. Vielleicht hast du die 20 Sous
von Rachel entlehnt, und ihr habt es vergessen?
Berta schien sehr verletzt.
Sag' lieber rundheraus, daß ich mir Schwenzelpfennige mache rief
sie. Bist du aber ein artiger Herr!
Der Streit war fertig; es fielen beiderseits sehr harte Worte;
obgleich entschlossen, seinen Frieden teuer zu erkaufen, ward
August beleidigend bei dem Anblick dieser vielen Vorräte, die durch
seine Schwiegereltern an einem Tage verzehrt werden sollten. Er
blätterte in dem Küchenbuch und hatte bei jedem Posten einen Ausruf
des Erstaunens. Schließlich sagte er, es könne unmöglich mit
rechten Dingen zugehen, und sie scheine mit der Magd im
Einverständnis zu sein, um an dem Küchengelde Ersparungen zu
machen.
Wer? ich? rief die junge Frau außer sich. Ich im Einverständnis
mit der Magd? Im Gegenteil: du bezahlst sie, damit sie mir
nachspähe! Ja, ich habe sie immer hinter mir her; ich kann keinen
Schritt tun, ohne ihren Blicken zu begegnen. Sie kann meinethalben
getrost durch das Schlüsselloch spähen, wenn ich mich einschließe,
um die Leibwäsche zu wechseln. Ich tue nichts Schlimmes und lache
nur über deine Aufpasserin. Aber treibe die
Dreistigkeit nicht so weit, mich zu
beschuldigen, daß ich mit meiner Köchin im Einverständnis bin!
Dieser unerwartete Angriff verblüffte den Gatten einen
Augenblick völlig. Rachel, noch immer mit der Hammelkeule
beschäftigt, wandte sich um, legte die Hand aufs Herz und
sagte:
Gnädige Frau, wie können Sie das glauben? Ich, die ich gnädige
Frau so sehr verehre?
Sie ist verrückt, sagte August, die Achseln zuckend. Verteidigen
Sie sich nicht, meine Liebe, sie ist verrückt!
Da vernahm er hinter seinem Rücken ein beunruhigendes Geräusch.
Saturnin hatte einen zur Hälfte geputzten Stiefel hingeworfen um
seiner Schwester zu Hilfe zu eilen. Mit schrecklich verzerrtem
Gesichte und geballten Fäusten blökte er, daß er »dieses schmutzige
Individuum« erdrosseln werde, wenn es noch einmal wagen solle,
seine Schwester eine Verrückte zu schimpfen.
August hatte sich entsetzt hinter die Wasserleitung geflüchtet
und schrie:
Es ist doch wirklich zu dumm, daß ich dir kein Wort sagen kann,
ohne »diesen da« zwischen uns zu finden! … Ich habe
eingewilligt, ihn zu uns ins Haus zu nehmen, aber er soll mich in
Ruhe lassen! … Auch ein schönes Geschenk deiner Mutter! Sie
fürchtet ihn wie die Hölle und hat ihn deshalb mir an den Hals
geworfen. Es ist ihr lieber, daß ich an ihrer Stelle ermordet
werde. Ich danke recht schön! … Jetzt nimmt er gar ein Messer!
Bringe ihn doch zur Ruhe!
Berta nahm ihrem Bruder das Messer aus der Hand, besänftigte ihn
mit einem Blick, während August, der sehr bleich war, fortfuhr,
halbverständliche Worte zu murmeln. Immer gleich das Messer in der
Faust! Ein Stoß ist so bald geschehen! Und mit einem Narren ist
nichts anzufangen, die Gerichte
verschaffen einem nicht
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