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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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er
hinzu. Doch sie wurde böse; er möge sich doch ein wenig erholen,
sagte sie; es sei blöd, sich in dieser Weise umzubringen.
    Geh zu Bett, hörst du!… Gasparine, versprich mir, ihn zu Bett zu
schicken.
    Die Kusine, die eben ein Glas Zuckerwasser und einen Roman von
Dickens auf das Nachtkästchen gelegt hatte, schaute Rosa an. Ohne zu antworten, neigte sie sich
zu ihr und flüsterte ihr zu:
    Du bist ja heute ganz ausnehmend artig!
    Sie küßte sie auf beide Wangen mit ihren trockenen Lippen und
ihrem bittern Munde in der Ergebenheit einer häßlichen und armen
Verwandten. Auch Gampardon schaute sie an, wie sie hochgerötet von
dem reichlichen Abendessen und kämpfend mit den Schwierigkeiten der
Verdauung dalag. Da küßte auch er sie und wiederholte:
    Gute Nacht, Mädelchen!
    Gute Nacht, Liebster! Du mußt sogleich zu Bett gehen, hörst
du?
    Sei unbesorgt! sagte Gasparine. Wenn er um elf Uhr noch nicht
schläft, stehe ich auf und nehme ihm die Lampe vor der Nase
weg.
    Campardon saß bis elf Uhr gähnend über dem Bauplan zu einem
Schweizerhäuschen, das er für einen Schneider in der Rameau-Straße
bauen sollte; dann kleidete er sich langsam aus, wobei er an seine
artige und hübsche Frau dachte, warf sein Bett durcheinander, um
die Mägde zu täuschen und suchte Gasparine in dem ihrigen auf. Sie
schliefen daselbst sehr schlecht, weil das Bett zu enge war, so daß
sie sich mit dem Ellbogen stießen. Besonders ihm, der am Rande des
Pfühls sich im Gleichgewicht halten mußte, war am Morgen der eine
Schenkel wie gebrochen.
    Um die nämliche Zeit war die Köchin Victoire mit dem Geschirr
fertig geworden und ging in ihr Zimmer hinauf. Lisa kam wie
gewöhnlich nachsehen, ob es dem Fräulein Angela an nichts mangle.
Letztere lag schon im Bett und erwartete die Zofe. Da gab es
allabendlich vor den Eltern verheimlichte, endlose Kartenpartien
auf der Bettdecke. Dabei wurde auf die Kusine gelästert, die von
der Magd in unbarmherziger Weise entkleidet wurde. So rächten sie
sich für die Unterwürfigkeit, die sie
tagsüber heucheln mußten; Lisa empfand ein niedriges Vergnügen an
dieser Entsittlichung Angelas, deren frühreife, krankhafte
Neugierde sie befriedigte. Diese Nacht waren sie wütend auf
Gasparine, die seit zwei Tagen den Zucker verschloß, mit dem sich
die Magd die Taschen zu füllen pflegte, um sie dann auf der
Bettdecke des Kindes zu leeren. Ein solches Kamel! Man hat kein
Stückchen Zucker mehr vor dem Schlafengehen!
    Ihr Papa gibt ihr doch Zucker genug, sagte Lisa mit frechem
Lachen.
    Oh ja, stimmte Angela gleichfalls lachend bei.
    Was tut Ihr Papa ihr denn? Zeigen Sie einmal!
    Da warf das Kind sich an den Hals der Magd, schloß sie in ihre
nackten Arme und küßte sie heftig auf den Mund, indem sie
sagte:
    Schau, so! …
    Es schlug zwölf Uhr. Campardon und Gasparine ächzten in ihrem
schmalen Bett, während Rosa in dem ihrigen behaglich den Dickens
las und vor Vergnügen lachte, daß ihr die Tränen über die Wangen
rannen. Es herrschte tiefe Stille; die Nacht senkte ihre keuschen
Schatten auf die Ehrbarkeit der Familie herab.
    Octave hatte, als er sich in sein Zimmer hinaufbegab, bei den
Pichons Gesellschaft gefunden. Julius rief ihn herein, er wollte
ihm durchaus etwas anbieten. Herr und Frau Vuillaume waren da; sie
hatten sich anläßlich der Entbindung ihrer Tochter im September mit
ihren Kindern ausgesöhnt. Sie hatten sogar eingewilligt, an einem
Dienstag bei ihnen zu speisen, um die Wiedergenesung Mariens zu
feiern. Um ihre Mutter zu besänftigen, hatte Frau Pichon sich
entschlossen, das zweite Kind – wieder ein Mädchen, dessen Anblick
sie erzürnte – in die Ammenschaft aufs Land zu geben. Lilitte,
betrunken von einem Glase Wein, das ihre
Eltern sie auf die Gesundheit des Schwesterchens hatten leeren
lassen, war am Tische eingeschlafen.
    Nun, zwei darf man sich noch gefallen lassen, sagte Frau
Vuillaume, indem sie mit Octave anstieß. Aber mein Herr
Schwiegersohn: nun ist's genug!
    Alle lachten, nur Frau Vuillaume blieb ernst. Sie fuhr fort:
    Es gibt da nichts zu lachen. Dieses eine lassen wir uns noch
gefallen, wenn aber noch eines käme…
    Wenn noch eines käme, schloß Herr Vuillaume, so wäre das ein
Beweis, daß ihr weder Herz noch Verstand habt! Das Leben ist ernst,
und wenn man keine Reichtümer besitzt, um sich allerlei
Vergnügungen zu gönnen, muß man sich zurückhalten…
    Dann wandte er sich an Octave:
    Sehen Sie, mein Herr, ich habe eine Auszeichnung erhalten. Um
nicht

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