Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
wieder von ihrer Familie sprechend. Gewiß bin auch
ich nicht ohne Fehl; doch stehen mir die Leute so wenig nahe, daß
ich mir gar keine Vorwürfe mache. Wenn ich Ihnen noch gestehen
würde, wie langweilig die Liebe mir ist…
    Ei, vielleicht doch nicht gar so sehr! rief Octave heiter. Man
ist ja nicht immer so dumm, wie wir gestern waren… Es gibt ja auch
glückliche Augenblicke.
    Sie beichtete ihm nun. Der Haß gegen ihren Mann; das ewige
Fieber, das ihn schüttele und einen ohnmächtigen, trübseligen
Knaben aus ihm mache – all dies war es nicht, was sie – schon sechs
Monate nach der Heirat – zu einemschlechten
Lebenswandel getrieben habe. Nein! – Sie tue es oft, ohne es zu
wollen, bloß weil ihr Dinge durch den Kopf fuhren, über die sie
sich gar keine Rechenschaft geben konnte. Alles um sie her sinke in
Trümmer, sie werde krank und trage sich mit Selbstmordgedanken.
Eben dann–als nichts da war, sie zurückzuhalten – habe sie diesen
Pfad des Niederganges betreten, der nicht schlechter sei als ein
anderer.
    Ist's wahr? Sie hatten dabei niemals glückliche Augenblicke?
fragte Octave, den dieser Punkt allein zu interessieren schien.
    Nicht das, was man sich erzählt, ich schwöre es Ihnen, erwiderte
sie ihm.
    Er betrachtete sie mit mitleidsvoller Teilnahme. Für nichts und
ohne Vergnügen? das lohnt in der Tat nicht die Mühe, die sie sich
gibt, fortwährend in der Furcht lebend, überrascht zu werden. Dabei
empfand seine Eitelkeit eine heimliche Genugtuung, denn er war noch
immer gekränkt durch die Geringschätzung, mit der sie ihn einst
behandelt hatte. Darum also hat sie ihn abgewiesen eines Abends… Er
erwähnte ihr die Sache.
    Sie erinnern sieh? Nach einem Nervenanfall, den Sie hatten…
    Ja; Sie mißfallen mir nicht, aber ich hatte so wenig Verlangen
danach!… Und es war besser so; heute würden wir einander
verabscheuen.
    Sie reichte ihm ihre kleine beschuhte Hand. Er drückte sie und
wiederholte:
    Sie haben recht; so ist's besser… Wahrhaftig, man liebt nur die
Frauen, die man nicht besessen hat!…
    So standen sie eine Weile Hand in Hand in gerührter Stimmung.
Dann traten sie wortlos in die Kirche ein, wo sie ihren Sohn
Camille in der Obhut einer Besitzvermieterin zurückgelassen hatte. Das Kind war inzwischen
eingeschlafen. Sie hieß es niederknien und kniete selbst einen
Augenblick nieder, den Kopf auf die Hände gestützt, wie in ein
inbrünstiges Gebet versunken. Als sie sich erhob, trat eben der
Abbé Mauduit aus einem Beichtstuhl. Mit einem väterlichen Lächeln
ging er an ihr vorüber.
    Octave hatte einfach die Kirche durchschritten, ohne sich
daselbst aufzuhalten. Als er heimkehrte, war das ganze Haus in
Bewegung; bloß Trublot, der in der Droschke träumte, sah ihn nicht.
Die Kaufleute in ihren Ladentüren blickten ihn ernst an. Der
Papierhändler gegenüber ließ noch immer die Blicke über die
Vorderseite des Hauses schweifen, als wolle er jeden Stein
erforschen; aber der Kohlenhändler und die Obsthändlerin hatten
sich bereits beruhigt, und das Stadtviertel hatte seine kalte Ruhe
wieder angenommen. Als Octave unter dem Tore vorbeiging, mußte sich
Lisa, die mit Adele in eine Plauderei vertieft war, damit begnügen,
ihn genau anzusehen, und unter den strengen Blicken des Herrn
Gourd, der den jungen Mann grüßte, mußten sie tun, als ob sie über
die teuren Preise des Geflügels sich beklagten. Octave stieg
endlich die Treppe hinan, als Frau Juzeur, die seit dem Morgen auf
der Lauer lag, ihre Türe öffnete, seine beiden Hände ergriff und
ihn in ihr Vorzimmer zog, wo sie ihn auf die Stirne küßte, und
sagte:
    Armes Kind!… Gehen Sie, ich halte Sie nicht zurück. Kommen Sie
wieder plaudern, wenn alles vorbei ist.
    Kaum war er heimgekehrt, als Duverdy und Bachelard bei ihm
eintraten. Anfangs wollte er, verblüfft über den Anblick des
Oheims, ihnen die Namen zweier seiner Freunde angeben. Aber die
Herren sprachen, ohne zu antworten, von ihrem Alter und hielten ihm
eine Rede über sein schlechtes Betragen. Als er dann im Verlaufe
der Unterhaltung seine Absicht, das Haus ehestens zu verlassen,
kundgab, erklärten beide feierlich, daß
ihnen dieser Beweis von Takt genüge. Es habe bereits genug Skandal
gegeben, und man müsse den anständigen Leuten seine Leidenschaft
zum Opfer bringen. Duverdy nahm die Kündigung sofort an und zog
sich zurück, während Bachelard hinter seinem Rücken den jungen Mann
zum Essen für den Abend einlud.
    Ich zähle auf Sie. Wir sind im Zuge, uns

Weitere Kostenlose Bücher