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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu amüsieren, und
Trublot erwartet uns unten… Ich kümmere mich wenig um Eleonore,
aber ich will sie nicht sehen und eile voraus, damit man uns nicht
beisammen antreffe.
    Er ging hinab. Fünf Minuten später holte Octave ihn ein,
entzückt über diese Lösung des Abenteuers. Er schlüpfte in die
Droschke, und der trübsinnige Gaul, der den Gatten sieben Stunden
lang durch die Straßen von Paris geschleppt hatte, schleppte sie
nun hinkend zu einem Restaurant in den Hallen, wo ganz vorzügliche
Kaldaunen gegessen wurden.
    Duverdy suchte Theophil im Hintergrunde des Ladens auf; auch
Valerie war eben zurückgekehrt: die drei schickten sieh an zu
plaudern, als Clotilde, von einem Konzert heimkehrend, sich zu
ihnen gesellte. Sie war, wie sie sagte, ganz ruhig hingegangen in
der Überzeugung, daß man eine jeden befriedigende Lösung finden
werde. Da entstand ein Stillschweigen, eine Verlegenheit bei den
beiden Ehepaaren. Theophil war übrigens von einem scheußlichen
Hustenanfall ergriffen. Weil sie sämtlich ein Interesse daran
hatten, sich auszusöhnen, benutzten sie die Aufregung, die dieser
Familienverdruß hervorgerufen. Die beiden Frauen küßten einander:
Duverdy schwor Theophil, daß die Erbschaft des alten Vabre ihn
ruiniere; nichtsdestoweniger wolle er ihn entschädigen, indem er
ihm drei Jahre Mietzins erlasse.
    Wir müssen aber den armen August beruhigen, bemerkte schließlich
der Rat.
    Er ging hinauf; da drang aus dem
Schlafgemach ein entsetzliches Geschrei wie von einem Tier, das
abgeschlachtet wird. Es war Saturnin, der, mit einem großen
Küchenmesser bewaffnet, sich bis zu dem Schlafzimmer
herangeschlichen hatte. Mit flammensprühenden Augen und
wutschäumenden Munde warf er sich auf August.
    Sprich, wo hast du sie hingesteckt? schrie er. Gib mir sie
wieder, oder ich schlachte dich ab wie ein Sehwein.
    Der Gatte, plötzlich aus seinem schmerzlichen Halbschlummer
aufgestört, wollte fliehen; doch der Narr hatte mit der Gewalt des
Wahnsinns ihn bei einem Zipfel des Hemdes gepackt, auf das Bett
niedergedrückt und den Hals des armen Opfers über den Bettrand
gelegt, ganz in der Lage eines Tieres, das abgeschlachtet werden
soll.
    Ha, endlich habe ich dich, ich steche dich ab wie ein
Schwein!
    Glücklicherweise kamen in diesem Augenblicke Leute hinzu, und
man konnte das arme Opfer befreien. Man mußte Saturnin, der einen
Tobsuchtsanfall hatte, einsperren. Zwei Stunden später kam ein
Kommissar der Polizei, die man verständigt hatte, um ihn ein
zweitesmal in die Irrenanstalt zu Saint-Evrard abzuführen. Der arme
August aber zitterte noch immer vor Angst. Er erwiderte Duverdy,
der ihm die Abmachung mitteilte, die man mit Octave getroffen:
    Nein, ich würde mich lieber geschlagen haben. Gegen einen
Verrückten kann man sich nicht verteidigen. Welche Wut hat denn
diesen Schurken ergriffen, daß er mich abschlachten will – etwa,
weil seine Schwester mich zum Hahnrei gemacht hat? Ich habe genug,
mein Freund; auf Ehre, ich habe genug!

Kapitel 16
     
    Als Marie Mittwoch morgens Berta zu ihrer Mutter führte, hatte
diese, aufs höchste bestürzt über dieses Abenteuer, durch das sie
sich in ihrem Stolze getroffen fühlte, bleich und sprachlos
dagestanden.
    Sie ergriff ihre Tochter bei der Hand mit der
Rücksichtslosigkeit einer Schulaufseherin, die eine strafbare
Schülerin in die »finstere Kammer« wirft und stieß sie in
Hortensens Zimmer, indem sie ihr sagte:
    Verbirg dich und laß dich nicht blicken! Du würdest deinen Vater
töten.
    Hortense, die sich eben wusch, war höchlich erstaunt. Berta warf
sich schluchzend und von Scham erdrückt auf das Bett. Sie war auf
eine heftige Szene gefaßt und hatte sich eine ganze Verteidigung
zurechtgelegt; sie war entschlossen, ihre Mutter zu überschreien,
wenn diese schreien sollte. Aber dieser stumme Zorn, diese Art, sie
als kleines Mädchen zu behandeln, das einen Topf Eingemachtes
genascht hat, nahm ihr alle Tatkraft, führte sie zu den Schrecken
ihrer Kindheit zurück, zu den Tränen, die sie ehemals in den
Winkeln vergoß unter heißen Schwüren des Gehorsams für die
Zukunft.
    Was gibt es denn? Was hast du getan? fragte Hortense, deren
Erstaunen noch höher stieg, als sie sie mit dem alten Schal bedeckt
sah, den Marie ihr geliehen hatte. Ist August etwa in Lyon
erkrankt?
    Allein Berta wollte nicht antworten. Nein, sagte sie; später:
sie könne nichts sagen. Sie bat Hortense fortzugehen, ihr das
Zimmer zu überlassen, wo sie wenigstens ungestört weinen könne.

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