Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
So
verfloß, der Tag. Herr Josserand war in sein Büro gegangen, ohne
das Geringste zu ahnen.
    Als er abends heimkehrte, blieb Berta noch
immer verborgen. Da sie tagsüber jede Nahrung zurückgewiesen,
verschlang sie jetzt mit Heißhunger das bißchen Essen, das Adele
ihr im geheimen brachte. Die Magd betrachtete sie, wie sie mit
gutem Appetit aß, und bemerkte dann:
    Kränken Sie sich nicht zuviel, gnädige Frau, fassen Sie Mut! Das
Haus ist ganz ruhig. Trotz allem Spektakel gibt es keinen Toten auf
dem Kampfplatz.
    Ah! sagte die junge Frau.
    Sie befragte Adele, welche die Vorgänge des Tages ausführlich
erzählte: das vereitelte Duell, was Herr August gesagt, was die
Vabre getan, und was die Duverdy getan. Sie hörte ihr zu, fühlte
neues Leben in sich, aß mit immer steigendem Appetit und verlangte
nach Brot. Sie sei in der Tat sehr dumm, sich dermaßen zu kränken,
meinte sie, da die anderen schon getröstet schienen!
    Sie empfing denn auch ihre Schwester ganz heiter mit trockenen
Augen, als diese gegen zehn Uhr zu ihr kam. Es belustigte sie sehr
– obgleich sie ihr Gelächter unterdrückten – als sie einen
Schlafrock ihrer Schwester anziehen wollte und er ihr zu eng war;
ihr Busen, der in der Ehe noch voller geworden war, drohte den
Stoff zu sprengen. Tut nichts, meinte sie; sie werde ihn am
nächsten. Morgen dennoch anziehen auf die Gefahr hin, daß einige
Knöpfe absprängen.
    Beide glaubten ihre Jugend wiederkehren zu sehen in diesem
Zimmer, wo sie soviele Jahre miteinander verlebt hatten. Das
stimmte sie weich und brachte sie einander näher in einer
Zuneigung, die sie seit langem füreinander nicht empfunden hatten.
Sie mußten beieinander schlafen, denn Frau Josserand hatte das
alte, Meine Bett Bertas beseitigt. Als sie, nachdem die Kerze
ausgelöscht war, nebeneinander im Bett lagen, mit weit offenen
Augen in die Finsternis blickend und
keinen Schlaf findend, begannen sie zu plaudern.
    Also du willst mir nichts erzählen? fragte Hortense von
neuem.
    Aber, meine Liebe, sagte Berta, du bist ja nicht verheiratet:
ich kann nicht… Ich habe eine Auseinandersetzung mit August gehabt.
Du verstehst mich; er ist zurückgekehrt…
    Als sie sich unterbrach, warf die Schwester ungeduldig
drein:
    Geh', geh'! Mach' keine Umstände! In meinem Alter werde ich doch
wissen!…
    Da beichtete Berta; zuerst sprach sie vorsichtig, später aber
ohne Wahl der Worte, von August und von Octave. Hortense lag still
auf dem Rücken, schaute in die Finsternis und hörte ihr aufmerksam
zu, nur von Zeit zu Zeit warf sie eine kurze Bemerkung dazwischen,
um sie zu fragen oder um ihre Meinung zu sagen, wie: »Was hat er
dir dann gesagt?… Und was hast du gefühlt?… Wahrhaftig, mir wäre es
kein Vergnügen!… Ei, so geschieht das!« So kam Mitternacht, die
erste, die zweite Morgenstunde; sie sprachen noch immer von dieser
Geschichte, schlaflos, die heißen Glieder unter den Bettüchern
wälzend. Berta, in diesem halben Fieberzustande, vergaß die
Anwesenheit ihrer Schwester und kam schließlich so weit, daß sie
laut lachte und ihr Herz und ihr Fleisch durch die intimsten
Geständnisse erleichterte.
    Ich mit Verdier – das wird sehr einfach sein, erklärte Hortense
plötzlich. Ich werde tun, was er will.
    Bei Nennung des Namens Verdier machte Berta eine Bewegung der
Überraschung. Sie glaubte, die Heirat habe sich zerschlagen; denn
die Frau, mit der er seit fünfzehn Jahren lebte, war vor kurzem
niedergekommen gerade in dem Augenblicke, wo er auf dem Punkte
stand, sie zu verlassen. Du rechnest trotz
alledem darauf, ihn zu heiraten? fragte sie.
    Ja, warum nicht? Ich habe die Dummheit begangen, zu lange zu
warten. Aber das Kind wird nicht am Leben bleiben. Es ist ein
Mädchen, durch und durch skrofulös.
    Indem sie das Wort »Geliebte« voll Ekel aussprach, brachte sie
den Haß der anständigen, heiratsfähigen Bürgerstochter gegen dieses
Geschöpf zum Ausdruck, das so lange mit einem Manne lebte. Ein
Manöver, dieses kleine Kind, nicht mehr! ja ein Vorwand, den sie
ersonnen, als sie bemerkt hatte, daß Verdier, nachdem er ihr Hemden
gekauft, um sie nicht nackt fortzuschicken, sie an eine baldige
Trennung gewöhnen wolle, indem er immer häufiger außer dem Hause
schlief. Übrigens wird man ja sehen, man wird warten.
    Arme Frau! ließ sich Berta entschlüpfen.
    Wie, arme Frau! rief Hortense bitter. Man sieht, man hat dir
auch vieles zu verzeihen.
    Sie bedauerte aber bald diese Grausamkeit, schloß ihre Schwester
in ihre Arme und

Weitere Kostenlose Bücher