Der häusliche Herd
Die beiden Männer jedoch,
ebenso wie Frau Vuillaume kamen in einem Punkt überein, nämlich,
daß der dicke Chavignat, derselbe, dessen Frau so häßlich sei,
vielzuviel Kinder erzeugt habe. Das sei töricht bei seinen
Vermögensverhältnissen. Octave lächelte, angeregt und zufrieden.
Seit langer Zeit hatte er keinen so angenehmen Abend verbracht; er
schloß sogar damit, daß er Chavignat im Tone der Übersetzung
tadelte. Marie besänftigte ihn mit ihrem klaren Unschuldsblick ohne
irgendeine Gefühlsregung darüber, daß sie ihn in der Nähe ihres
Gatten sitzen sah. Sie bediente beide, jeden nach seinem Geschmack.
Schlag zehn Uhr erhoben sich die Vuillaumes. Pichon setzte seinen
Hut auf. Allsonntäglich begleitete er sie bis zum Omnibus. Diese
Gewohnheit, ihnen seine Achtung zu bezeigen, hatte er gleich nach
seiner Heirat angenommen, und die Vuillaumes würden sich sehr
verletzt gefühlt haben, wenn er sich's hätte einfallen lassen, sich
dieser Pflicht wieder zu entschlagen. Sie gingen stets zusammen in
die Richelieu-Straße, die sie langsamen Schrittes hinaufwandelten,
wobei sie nach dem Omnibus, der nach Batignolles fuhr, spähten, der
immer vollständig besetzt an ihnen vorbeifuhr. Bei solchen
Gelegenheiten geschah es oft, daß Pichon bis nach der Vorstadt
Montmartre ging; denn er würde sich nicht erlaubt haben, seinen
Schwiegervater und seine Schwiegermutter zu verlassen, bevor er
ihnen in den Wagen geholfen hatte. Da sie sehr langsam gingen,
brauchte er nahe an zwei Stunden für den Hin- und Rückweg.
Auf dem Treppenabsatz schüttelten sie einander freundschaftlich
die Hände. In die Wohnung zurückgekehrt, sagte Octave ganz ruhig zu
Marie:
Es regnet, Julius wird vor Mitternacht nicht nach Hause
kommen.
Da man Lilitte zeitig schlafen gelegt hatte,
nahm er Marie sofort auf den Schoß, trank mit ihr aus derselben
Schale einen Rest Kaffee wie ein Gatte, der sich glücklich fühlt,
daß seine Gäste fort sind, sich wieder einmal in seinem Hause
heimisch fühlt und durch einen kleinen Familienschmaus etwas
angeheitert, bei geschlossenen Türen mit seinem Weibchen nach
Herzenslust scherzen und lachen kann.
Die Hitze machte die Luft schwül in dem engen Gemach, wo ein
Gericht von Schneeiern einen Vanilleduft zurückgelassen hatte. Er
küßte das Kinn der jungen Frau, da hörten sie plötzlich an die Türe
kratzen. Marie hatte nicht einmal eine Anwandlung von Furcht; sie
ging die Türe öffnen. Es war Saturnin Josserand, der blödsinnige
Bursche. Sooft er vom Hause entkommen konnte, kam er, durch ihre
Sanftmut angelockt, um mit ihr zu plaudern; und sie stimmten
miteinander sehr gut überein; sie pflegten zehn Minuten lang zu
bleiben, ohne zu sprechen, und tauschten von Zeit zu Zeit
unzusammenhängende Bemerkungen aus.
Octave, der sehr ärgerlich war, öffnete nicht einmal den
Mund.
Wir haben Gäste, stammelte Saturnin. Ich kümmere mich den Teufel
darum, daß sie mich nicht zu Tische setzen, darauf hab' ich den
Riegel zurückgeschoben und bin hergekommen. Das heißt nun
»drangekriegt«!
Man wird besorgt sein; Sie sollten nach unten gehen, sagte
Marie, als sie die Ungeduld Octaves bemerkte.
Doch der blöde Junge lachte ganz entzückt. Dann erzählte er in
seiner schwerfälligen Sprache alles, was zu Hause geschah. Er
schien jedesmal hauptsächlich zu kommen, um sein Herz zu
erleichtern.
Papa hat wieder die ganze Nacht gearbeitet, Mama hat Berta
geohrfeigt. Sagen Sie: ist's so schlimm zu heiraten?
Da Marie keine Antwort gab, fuhr er noch
lebhafter fort:
Ich mag nicht aufs Land gehen … Wenn sie sie nur anrühren,
erdrossele ich sie allesamt, das kann ich leicht in der Nacht,
während sie schlafen … Sie hat eine Handfläche so weich wie
Briefpapier, aber die andere ist ein garstiges Mädchen …
Er fing dasselbe von vorne an, wurde irre, kam nicht dazu, das
auszudrücken, was er eigentlich zu erzählen gekommen war. Endlich
nötigte ihn Marie, zu seinen Eltern zurückzugehen, ohne daß er die
Anwesenheit Octaves bemerkt hätte.
Dieser fürchtete, wieder gestört zu werden, und wollte daher die
Frau in sein Zimmer hinüberführen; aber sie weigerte sich, und ihre
Wangen wurden plötzlich hochgerötet. Da er sich diese
Schamhaftigkeit nicht erklären konnte, wiederholte er ihr, daß sie
wohl Julius würden zurückkommen hören, und daß sie Zeit haben
werde, in ihre Wohnung zu schleichen. Allein als er sie mit sich
zerrte, wurde sie vollends böse und zeigte die Entrüstung einer
Frau, der man Gewalt
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