Der häusliche Herd
die Grenzen des Schicklichen nicht überschritt. Clarisse
empfing niemals Frauen – aus Reinlichkeit, wie sie sagte. Wenn ihre
vertrauten Freunde klagten, daß es in ihrem Salon an Damen fehle,
pflegte sie lachend zu erwidern:
Nun, bin ich denn nicht genug?
Sie hatte für Alphons ein ganz anständiges Heim eingerichtet;
denn trotz der vielfachen Fährlichkeiten in ihrer Existenz besaß
sie im Grunde recht bürgerliche Neigungen und schwärmte für das
Anständige. Wenn sie Gäste empfing, wollte sie nicht mit Du
angeredet werden. Wenn später die Gäste fort und die Türen
geschlossen waren, konnten alle Freunde Alphonsens sie haben, die
ihren ungerechnet, rasierte Schauspieler, langbärtige Maler –
fortwährend neue Männer. Neben dem Manne, der bezahlte, frönte sie
der alten Gewohnheit, sich aufzufrischen. Nur zwei ihrer
regelmäßigen Gäste hatten abgelehnt: Gueulin, der die Folgen
fürchtete, und Trublot, der Neigungen anderer Art hatte.
Eben reichte das kleine Stubenkätzchen mit
seiner gefälligen Miene Punsch herum. Octave nahm ein Glas und
flüsterte seinem Freunde zu:
Das Stubenmädchen ist hübscher als die Frau.
Immer! sagte Trublot mit einem Achselzucken im Tone der
Überzeugung.
Jetzt trat Clarisse hinzu, um einen Augenblick mit ihnen zu
plaudern. Sie vervielfältigte sich, ging von einem zum andern,
sandte bald da, bald dorthin ein Wort, ein Lächeln, eine Gebärde.
Da jeder Neuangekommene eine Zigarre anzündete, war der Salon bald
mit dichtem Rauch erfüllt.
Diese abscheulichen Männer! rief sie neckisch, indem sie ein
Fenster öffnete.
Ohne länger zu warten, setzte Bachelard seinen Schwager
Josserand in der Nische dieses Fensters nieder, angeblich, damit er
frische Luft schöpfen könne; dann führte er mit einem geschickten
Manöver Herrn Duverdy ebenfalls hin und leitete die Angelegenheit
sofort ein. Er fühlte sich sehr geehrt dadurch, sagte er, daß die
beiden Familien künftig durch engere Bande miteinander verknüpft
werden sollten. Dann fragte er, an welchem Tage der Kontrakt
unterzeichnet werde. Die Frage war ein passender Übergang.
Wir hatten die Absicht, Josserand und ich, morgen bei Ihnen
einen Besuch zu machen, um alles in Ordnung zu bringen, denn wir
wissen wohl, daß Herr August nichts ohne Sie tut … Wir wollten
über die Mitgift sprechen, und da wir hier eben beisammen
sind …
Von innerer Beklemmung ergriffen, blickte Josserand auf die
finstere Straße mit ihrer stummen Häuserfront und ihrem verlassenen
Bürgersteig hinaus. Wozu war er gekommen? Man werde jetzt wieder
seine Schwäche mißbrauchen, um ihn in irgendeine häßliche
Geschichte zu verwickeln, die ihm
hinterher viel Kummer verursachen werde. Er konnte sich nicht
enthalten, seinen Schwager zu unterbrechen.
Später! rief er; es ist hier nicht der Ort dazu.
Warum denn nicht? warf Duverdy gefällig drein. Der Ort ist hier
passender als anderswo. Sie sagten also, mein Herr?
Wir geben Berta 50 000 Franken, fuhr der Onkel mutig fort.
Allein diese Mitgift besteht in einer Versicherungsprämie, die erst
in drei Jahren fällig wird …
Erlauben Sie! unterbrach ihn Josserand erschrocken.
Nein, lassen Sie mich ausreden, Herr Duverdy begreift
vollkommen … Wir wollen nicht, daß das junge Ehepaar drei
Jahre lang auf eine Mitgift warte, deren es vielleicht sofort
bedarf. Wir verpflichten uns daher, die Mitgift in Raten von
10 000 Franken von sechs zu sechs Monaten zu bezahlen. Die
Versicherungsprämie werden dann wir selbst in Empfang nehmen.
Es entstand eine stille Pause, Herr Josserand schaute wie
erstarrt wieder auf die finstere Straße hinaus. Der Gerichtsrat
schien einen Augenblick zu überlegen; vielleicht witterte er, was
hinter der Geschichte steckte; doch lachte er sicherlich in seinem
Innern bei dem Gedanken, daß diese Vabre, die er in der Person
seiner Gemahlin verabscheute, geprellt werden könnten.
All dies scheint mir ja sehr annehmbar, sagte er endlich. Wir
sind Ihnen Dank schuldig … Es kommt so selten vor, daß eine
Mitgift vollständig bezahlt wird.
Niemals, mein Herr! versicherte der Onkel energisch. Das kommt
nicht vor.
Die drei Männer drückten einander die Hände und verabredeten die
Zusammenkunft beim Notar für den nächsten Donnerstag.
Als Herr Josserand wieder in der Helle des
Saales erschien, war er so bleich, daß man ihn fragte, ob er sich
unwohl fühle. Er fühlte sich in der Tat nicht ganz wohl und
entfernte sich, ohne den Schwager abzuwarten, der sieh in
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