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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wie
die eines jungen Mädchens.
    Ich hatte die Arbeit aufgegeben, da ich ohnedies die Sehkraft
eingebüßt hatte, fuhr sie fort, als mir plötzlich meine Nichte
Fanny in den Schoß fiel. Ihr Vater, der Kapitän Menu, war
gestorben, ohne einen Sou zu hinterlassen, und es war außer mir
auch kein Verwandter da. Ich nahm das Kind aus der Pension und
machte eine Stickerin aus ihr. Man verdient dabei allerdings kaum
das Wasser, aber ist es nicht mit jeder andern Beschäftigung
ebenso? Die Frauen sind einmal da, um Hungers zu sterben …
Glücklicherweise hat sie Herrn Narziß getroffen. Ich kann jetzt
ruhig sterben.
    Und die Hände über den Bauch gefaltet, in der Untätigkeit der
alten Arbeiterin, die es verschworen hat, jemals wieder eine Nadel
zu berühren, blickte sie Bachelard und Fifi mit zärtlichen Augen
an.
    Der Greis sagte eben zu dem Mädchen:
    Wirklich, Sie haben an mich gedacht? … Und was haben Sie
gedacht?
    Fifi erhob ihren klaren Blick, und ohne in der Arbeit
innezuhalten, erwiderte sie:
    Daß Sie ein guter Freund sind, und daß ich Sie recht lieb
habe.
    Sie hatte Octave kaum angeblickt, als ob sie ganz gleichgültig
sei gegen diesen schönen, jungen Mann. Er aber lächelte ihr zu,
gerührt von ihrer Lieblichkeit, und nicht wissend, was er denken
solle, während ihre Tante, alt geworden in einer Ehelosigkeit und
einer Keuschheit, die ihr keinerlei Opfer waren, mit gedämpfter
Stimme fortfuhr:
    Ich hätte sie verheiraten sollen, meinen Sie nicht? Ein
Handwerker würde sie prügeln, ein Beamter würde dafür sorgen, daß
sie mehr als genug Kinder bekomme … Da ist es doch besser, sie
verständigt sich mit Herrn Narziß, der ein anständiger Mensch zu
sein scheint.
    Dann sagte sie laut:
    Glauben Sie mir, Herr Narciß, es würde nicht meine Schuld sein,
wenn Sie mit ihr nicht zufrieden wären. Ich sage ihr immer: Mach'
ihm Freude, sei dankbar! Sie werden es natürlich finden; ich bin so
froh, sie endlich versorgt zu wissen. Wenn man keine
Bekanntschaften hat, ist es gar so schwer, ein junges Mädchen zu
versorgen.
    Octave überließ sich ganz der einfachen Gemütlichkeit dieses
Kreises. Ein Geruch wie in einem Obstladen schwebte in der dumpfen
Zimmerluft. Nur die Nadel Fifis, die in die Seide stach,
verursachte ein regelmäßiges Geräusch gleich dem Ticken einer
Kuckucksuhr, die dazu dienen würde, die Liebschaften des Oheims
heimischer zu gestalten. Übrigens war das alte Fräulein die
Rechtschaffenheit selbst: sie lebte von ihrer Rente von tausend
Franken, ohne je das Geld der Fifi zu
berühren, die es nach eigenem Belieben verbrauchen durfte. Ihre
Bedenken schwanden bloß, wenn ihre Nichte ihr zuweilen weißen Wein
oder Kastanien zahlte, indem sie ihre kleine Sparkasse leerte, wo
sie die Viersousstücke zusammensparte, die sie von ihrem guten
Freunde als Denkmünzen erhalten hatte.
    Mein Püppchen, sagte endlich Bachelard sich erhebend; wir haben
Geschäfte … Morgen sehen wir uns wieder; sei nur immer recht
artig.
    Er küßte sie auf die Stirne, und nachdem er sie zärtlich
angeblickt hatte, sagte er zu Octave:
    Sie dürfen ihr auch einen Kuß geben, sie ist ja nur ein
Kind.
    Der junge Mann berührte mit den Lippen ihre frische Stirne. Sie
lächelte bescheiden. Übrigens ging ja alles im Familienkreise vor
sich; nie hatte er so vernünftige Leute gesehen. Der Onkel ging,
kam aber bald zurück und rief:
    Ich hatte ganz vergessen; ich habe ein kleines Geschenk
mitgebracht.
    Hierauf leerte er seine Taschen und gab der Fifi den Zucker, den
er im Kaffeehause gestohlen hatte. Sie bekundete eine lebhafte
Dankbarkeit für diese Aufmerksamkeit und kaute gleich ein Stück
zwischen den Zähnen, daß sie vor Vergnügen ganz rot wurde.
    Sie faßte sich dann ein Herz und sagte:
    Sie haben doch wohl ein Viersousstück?
    Bachelard durchsuchte vergebens seine Taschen. Aber bei Octave
fand sich eines, und das junge Mädchen nahm es als Andenken an.
    Sie begleitete die Herren nicht; das schien ihr gewiß
unschicklich, und sie hörten sie sogleich wieder die
Nadel führen, sie nahm die Altardecke
wieder zur Hand, während Fräulein Menu mit der ihr eigenen
Liebenswürdigkeit einer guten Alten die Herren
hinausbegleitete.
    Nicht wahr, so was sieht man nicht alle Tage? sagte Bachelard,
indem er auf der Treppe stehen blieb. Wissen Sie, daß sie mir nicht
auf fünf Louis den Monat zu stehen kommt? … Ich habe die
Dirnen satt, die mich aussaugen. Meiner Treu! da hab' ich ein
anhängliches Herz, was mir sehr not

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