Der häusliche Herd
den
Baumaterialien aus seiner Grübelei herausriß.
Der Abbé Mauduit gab sich, einmal in Eifer
mit erhöhter Stimme, das Ansehen eines Maschinenmeisters, der die
Aufstellung irgendeiner großartigen Theater-Dekoration
anordnet.
Natürlich muß die strengste Einfachheit in diesem Raume
herrschen. Nichts als Steinwände, kein bemaltes Winkelchen, kein
Goldfäserchen. Wir müssen uns eben in einer Krypta befinden; es muß
einen unterirdischen, trostlosen Ort darstellen…
Die Hauptwirkung aber bleibt »Christus am Kreuze«, die heilige
Jungfrau und Magdalena zu seinen Füßen. Ich lasse sie auf den
Gipfel eines Felsen aufrichten, lasse die weißen Figuren von einem
grauen Grunde sich abheben, das Kuppellicht beleuchtet sie dann wie
mit einem unsichtbaren Strahle, mit einem kalten Lichte, das ihnen
den Anschein gibt, als bewegten sie sich nach vorwärts, und ihnen
gleichsam ein übernatürliches Leben einflößt… Sie sollen es gleich
sehen!
Er wandte sich hierauf um und rief einem Arbeiter zu:
Stellen Sie doch die »Jungfrau« weg! Sie werden ihr zuletzt noch
ein Bein abbrechen.
Der Arbeiter rief einen Kameraden herbei. Sie faßten nun die
Jungfrau zu zweien an den Lenden, trugen sie auf die Seite wie ein
großes blasses Mädchen, das bei einem nervösen Anfalle ganz starr
geworden.
Gebt acht! rief der Priester wiederholt, der ihnen durch den
Schutt gefolgt war; das Kleid ist schon geborsten. Bleibt
stehen!
Er legte mit Hand an, faßte Maria beim Rücken und wurde bei
dieser Umarmung ganz voll Gips.
Dann fuhr er fort, während er auf Octave zutrat:
Denken Sie sich die beiden Fenster im Schiffe vor Ihnen dort
geöffnet und stellen Sie sich in die Kapelle der Jungfrauhinein. Oberhalb des Altars bemerken Sie durch die
Kapelle der »Ewigen Anbetung«, ganz im Hintergrunde, den
Calvarienhügel … Begreifen Sie jetzt, welchen Eindruck das
machen muß? Diese drei großen leichenblassen Figuren, dieses
Schreckensdrama allein in dieser Tabernakelvertiefung jenseits der
geheimnisvollen Dunkelheit jener goldenen Scheiben, Lampen und
Armleuchter … wie? Ich glaube, es wird unwiderstehlich
sein.
Er wurde beredt und lachte wohlgemut, stolz über seinen
Gedanken.
Die größten Zweifler werden erschüttert sein, sagte Octave, um
ihm Freude zu machen.
Nicht wahr? Ich bin begierig, das alles an Ort und Stelle zu
sehen, damit ich den Eindruck beurteilen kann.
Als er in das Kirchenschiff zurückkam, vergaß er sich und
behielt seine laute Stimme und seine unternehmende Haltung; dem
Campardon zollte er das höchste Lob. Er werde, sagte er, im
Mittelalter einen höchst religiösen Sinn betätigt haben. Er Heß
dann Octave durch die Hintertüre hinaus und hielt ihn im Pfarrhofe
noch eine kleine Weile zurück. Von dort aus sah er die Chorkuppel,
die sonst durch die anstoßenden Baulichkeiten den Blicken entzogen
ward.
Hier wohnte er im zweiten Stock eines hohen Hauses mit
verfallener Vorderseite, das ganz von der Geistlichkeit zu St.
Rochus bewohnt war; ein ehrwürdiger Priesterduft, ein leises
Beichtstuhlgeflüster drang aus der Vorhalle, aus der das Bildnis
der heiligen Jungfrau hervorragte, und die mit hohen, durch schwere
Vorhänge verdunkelten Fenstern versehen war.
Ich will heute abend Herrn Campardon besuchen, sagte endlich der
Abbé Mauduit. Ersuchen Sie ihn, mich zu erwarten…Ich möchte wegen einer vorzunehmenden Verbesserung
ausführlich mit ihm sprechen.
Hierauf grüßte er in seiner weltmännischen Weise. Octave fühlte
sich beruhigt. St. Rochus mit seinen frischen Wölbungen hatte seine
Nervenspannung etwas gemildert. Er betrachtete mit einigem
Befremden diesen Eingang in eine Kirche durch ein Privathaus, diese
Hausmeisterwohnung, wo man des Nachts anläuten muß, um zum lieben
Herrgott zu gelangen, diesen ganzen Klosterflügel, der sich
gleichsam in das schwarze Gewühl des Stadtviertels verirrt
hatte.
Auf der Straße hob er nochmals die Augen empor: das Haus dehnte
weithin seine zierlose Vorderseite mit vergitterten, unverhängten
Fenstern aus; aber an den Fenstern des vierten Stockwerkes sah man
an Eisenstangen befestigte Blumenkörbe; unten in die dicken Mauern
waren enge Kaufläden eingelassen, welche die Geistlichkeit sich
zunutze machte: Schuhflicker, Uhrmacher, Stickerinnen, sogar eine
Weinstube als Zusammenkunftsort der Totengräber an Tagen von
Leichenbestattungen.
Octave, durch seinen Mißerfolg zum Verzicht auf die weltlichen
Dinge gestimmt, beneidete die alten Mägde der Geistlichen um
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