Der häusliche Herd
er
weiter; Sie werden die Kleinkunden an sich locken. So macht Ihnen
das Haus Vabre mit seinen Seidenwaren heute Schaden. Entfalten Sie
Ihre Schaufenster nach der Straße, schaffen Sie einen eigenen
Kundenkreis, und ehe fünf Jahre um sind, haben Sie Vabre in den
Bankerott getrieben… Endlich taucht die Frage immer wieder auf, daß
die Straße zum 10. Dezember, die von der Neuen Oper bis zur Börse
sich erstrecken soll, ausgebaut werde. Mein Freund Campardon erzählt mir oft von diesem Plane;
das würde dann den Geschäftsverkehr dieses Viertels um das
Zehnfache erhöhen.
Frau Hédouin hörte, den Ellbogen auf ein offenes Buch gestützt,
ihren schönen sinnenden Kopf auf die Hand geneigt, ihm aufmerksam
zu. Sie war im Geschäft »zum Paradies der Damen« geboren, das von
ihrem Vater und ihrem Oheim gegründet war; sie hatte eine Vorliebe
für das Haus; sie sah im Geiste, wie es sich entwickelte, wie es
die anderen Häuser ringsumher verschlang und ein königliches Äußere
entfaltete.
Dieser Traum leuchtete ihrem lebhaften Verstande ein, stimmte
mit ihrem zielbewußten Streben, mit dem bei Frauen so häufigen
feinen Sinn für das künftige Paris.
Onkel Deleuze, erwiderte sie, wird es nimmer tun wollen, und
überdies ist mein Mann zu leidend.
Als er sie schwanken sah, schlug Octave den Ton der Verführung
an und sprach mit einer Schauspielerstimme sanft und wohllautend.
Gleichzeitig suchte er sie mit seinen Blicken in Feuer zu bringen,
indem er sie mit seinen altgoldfarbenen Augen ansah, welche die
Frauen für unwiderstehlich halten.
Vergebens jedoch brannte die Gasflamme hinter ihrem Nacken; sie
blieb kalt, ohne daß sich auch nur ihre Haut erwärmt hätte, und war
nur in ein Sinnen versunken unter dem Taumel des unversieglichen
Wortschwalls des jungen Menschen.
Er war dahin gelangt, die Angelegenheit vom Gesichtspunkte der
Ziffern zu prüfen und einen Kostenvoranschlag zu entwerfen in einem
so leidenschaftlichen Tone, wie ein romantischer Page seine lang
unterdrückte Liebe offenbaren würde. Als sie plötzlich aus ihrer
Träumerei erwachte, lag sie in seinen Armen.
Mein Gott! Darum war es Ihnen also zu tun!
sagte sie in einem schwermütigen Tone, indem sie sich seinen Armen
entwand wie einem zudringlichen Kinde.
Jawohl, ich liebe Sie! rief er aus. Weisen Sie mich nicht
zurück! Mit Ihnen könnte ich Großes vollbringen…
Doch er ging bis ans Ende; er setzte seine Rede fort, die aber
in einen Mißton ausklang. Sie unterbrach ihn indessen nicht. Sie
hatte wieder angefangen, stehend im Register zu blättern. Als er
schwieg, sagte sie:
Ich kenne alles, man hat es mir schon gesagt… Aber ich hielt Sie
für klüger als die anderen, Herr Octave. Wahrlich, Sie machen mir
Kummer, denn ich hatte auf Sie gerechnet… Ich finde schließlich,
daß es allen jungen Leuten an Überlegung fehlt… In einem Hause wie
dem unseren haben wir die größte Ordnung nötig, und Sie wollen
Dinge anfangen, die uns den ganzen Tag nur stören könnten. Ich bin
hier keine Frau, ich bin zu sehr beschäftigt… Ich begreife kaum,
wie Sie, der Sie so gesunde Sinne haben, es nicht sofort begriffen,
daß ich es nicht tun werde; erstens, weil es eine Dummheit ist,
dann weil es überflüssig ist, und endlich, weil ich
glücklicherweise durchaus keine Lust dazu habe.
Er würde lieber gesehen haben, wenn sie vor Entrüstung in Zorn
geraten wäre, mit ihrer Gesinnung großgetan hätte. Ihr ruhiger Ton,
ihre kaltblütige Berechnung, die sie ihm als praktische, betreffs
ihrer selbst ganz beruhigte Frau zu erkennen gab, brachten ihn in
Verwirrung. Er sah ein, daß er lächerlich wurde.
Erbarmen Sie sich meiner, stammelte er abermals. Sehen Sie doch,
wie ich leide!
Nein, Sie leiden nicht. Für alle Fälle werden Sie genesen… Hören
Sie! man pocht, Sie täten besser, die Türe zu öffnen.
Er mußte den Riegel zurückschieben. Es war
Fräulein Gasparine, die sich erkundigen wollte, ob man Hemden mit
Doppelbrust erwarte.
Sie war überrascht, daß der Riegel vorgeschoben war, aber sie
kannte Frau Hédouin zu gut, und wie sie diese mit ihrer frostigen
Miene vor Octave stehen sah, der voller Aufregung war, kam ihr ein
spöttisches Lächeln auf die Lippen, während sie den letzteren
betrachtete. Er geriet darüber außer sich; er beschuldigte sie, daß
ihm der Anschlag mißlungen sei.
Gnädige Frau, erklärte er in barschem Tone, als das
Ladenfräulein weggegangen war, ich verlasse heute abend das
Haus.
Das war für Frau Hédouin eine
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