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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Überraschung.
    Warum denn? fragte sie ihn und sah ihn an. Ich schicke Sie doch
nicht weg … Das ändert an der Sache nichts, ich habe keine
Furcht.
    Diese Worte brachten ihn vollends aus dem Häuschen. Er entfernte
sich sogleich, er wollte keine Minute länger Qualen erdulden.
    Gut, Herr Octave, erwiderte sie mit ihrer gewöhnlichen
Gemütsruhe. Ich werde mit Ihnen sogleich abrechnen … Es tut
nichts, wiewohl das Haus Sie vermissen wird; denn Sie waren ein
guter Angestellter.
    Als er schon auf der Straße war, sah er ein, daß er sich dumm
benommen hatte. Es war vier Uhr, die heitere Maisonne vergoldete
einen ganzen Winkel des Gaillon-Platzes. Wütend über sich selbst,
ging er die Rochus-Straße hinunter aufs Geratewohl und erwog die
Art, wie er hätte vorgehen müssen. Warum hat er erstens diese
Gasparine nicht in die Hüfte gekneipt? Das hat sie doch gewiß nur
wollen. Ihm konnten aber die Weiber bei einer solchen Magerkeit
nicht gefallen wie dem Campardon. Auch wäre er vielleicht bei ihr schlecht angekommen; denn sie
schien ihm eines von jenen Frauenzimmern, die von einer schroffen
Tugendhaftigkeit sind solchen Männern gegenüber, die sich ihnen nur
am Sonntag widmen, besonders dann, wenn sie einen Mann für die
ganze Woche haben, der vom Montag bis zum Samstag alltäglich bereit
ist, ihnen seine Liebe zu beweisen. Was für ein dummer Einfall war
es zweitens, um jeden Preis der Liebhaber seiner Herrin werden zu
wollen! Er hätte doch seine Rechnung finden können und nicht so
weit in seinen Forderungen gehen sollen, alles haben zu wollen,
seinen Erwerb und sein Bett!
    Nach heftigen inneren Kämpfen wandte er sich einen Augenblick
um; er wollte zurückkehren zum »Paradies der Damen«, sein Unrecht
eingestehen; doch die Erinnerung an Frau Hédouin, die ihm gegenüber
einen so kalten Stolz bewahrte, rief eine krankhafte Eitelkeit
wach, und er ging weiter die Straße hinab nach der
Rochus-Kirche.
    Um so schlimmer! dachte er. Es war um seine Stelle geschehen. Er
wollte sehen, ob nicht Campardon wegen seiner
Calvarien-Ausbesserung in der Kirche sei, um mit ihn ins Café auf
ein Glas Madeira zu gehen. Das werde ihm Zerstreuung verschaffen.
Er trat durch die Vorhalle ein, auf die eine Türe der Sakristei
sich öffnete; es war ein finsterer, schmutziger Gang wie in einem
zweideutigen Hause.
    Sie suchen vielleicht Herrn Campardon? fragte dicht hinter ihm
eine Stimme, als er die Runde um das Schiff machte.
    Es war der Abbé Mauduit, der ihn erkannt hatte.
    Da der Baumeister abwesend war, wollte er durchaus, daß der
junge Mann die Calvarienarbeiten besichtige, für die er selbst eine
ganz besondere Vorliebe hatte. Er führte ihn zunächst hinter das
Chor, zeigte ihm die Kapelle der heiligen Jungfrau mit Wänden aus
weißem Marmor, wo sich ein Altar befand,
überragt von einer Gruppe, die den Heiland in der Krippe
darstellte: ein Jesuskindlein zwischen einem heiligen Joseph und
einer heiligen Jungfrau, alles im Rokokostile ausgeführt. Dann
führte er ihn in die noch weiter rückwärts gelegene Kapelle der
»Ewigen Anbetung«, in der sieben Goldlampen hingen, goldene
Armleuchter und ein ganz aus Gold gegossener Altar sich befanden,
die in dem fahlen Schatten der goldfarbenen Fensterseheiben
funkelten.
    Rechts und links von dieser Kapelle war der Hintergrund der
Chorwölbung durch je eine Wand aus ungehobelten Brettern verrammelt
und mitten durch diese schauervolle Stille erklangen über den
dunklen Schatten, die knieten und Gebete stammelten, die Streiche
der Steinschlägel, die Stimmen der Maurer, ein heftiges Getöse wie
in einer Zimmermannswerkstätte.
    Treten Sie nur ein, sagte der Abbé Mauduit, indem er seine
Sutane aufschürzte. Ich werde es Ihnen erklären.
    Auf der andern Seite der Bretterwände lag ein Schutthaufen
abgeschürften Mörtels, eine Ecke der Kirche, die von außen dem
Zugange der freien Luft geöffnet war, weiß von verwittertem Kalk,
feucht von ausgeschüttetem Wasser.
    Zur Linken sah man noch die zehnte Passionsstation: Jesus ans
Kreuz genagelt, zur Rechten die zwölfte: die heiligen Frauen und
Jesus. Die elfte, mittlere Gruppe, Jesus am Kreuze darstellend, war
abgenommen und an eine Wand gestellt worden; an dieser arbeiteten
die Handwerker.
    Sehen Sie, fuhr der Priester fort. Ich wollte die
Calvarienhauptgruppe durch ein in der Kuppel gesammeltes Oberlicht
beleuchten. Sie sehen wohl ein, welche Wirkung man dadurch
hervorbringt.
    Jawohl, sagte Octave, den diese Wanderung zwischen

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