Der häusliche Herd
das
ruhige Dasein, das sie führen mochten in jenen Stübchen, an deren
Fenstern das Eisenkraut und die Riechbohne sich emporwanden.
Als er abends um halb sieben Uhr bei den Campardons eintrat,
ohne zu läuten, stieß er geradeswegs auf den Baumeister und auf
Gasparine, die im Vorzimmer sich küßten. Letztere, eben aus dem
Laden gekommen, hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, die Türe
zu schließen. Sie blieben ganz betroffen stehen.
Meine Frau macht sich ein wenig das Haar zurecht, stammelte
Campardon, um etwas zu sagen. Melden Sie sich indes bei ihr.
Octave, ebenso betroffen wie die andern,
beeilte sich, an das Zimmer Rosas zu pochen, wo er sonst ohne
Umstände eintreten durfte. Jetzt konnte er entschieden nicht weiter
da speisen, nachdem er sie hinter der Türe ertappt hatte.
Herein, rief Rosa, sind Sie es, Octave? Ach, tut nichts.
Sie hatte indessen ihren Pudermantel nicht wieder angezogen und
saß da mit entblößten Schultern und Armen, zart und weiß wie Mich.
Sie kräuselte aufmerksam vor dem Spiegel ihr goldblondes Haar in
kleine Löckchen. So brachte sie alltäglich mehrere Stunden hindurch
mit einer übermäßigen Sorgfalt für ihre Toilette zu, unausgesetzt
damit beschäftigt, die Hautwärzchen zu untersuchen, sich
herauszuputzen, und sich dann auf einen Liegestuhl hinzustrecken,
üppig und schön, wie ein geschlechtsloses Götzenbild.
Sie putzen sich für den Abend recht heraus, sagte Octave mit
einem Lächeln.
Mein Gott! Ich habe ja sonst nichts zu tun! Das zerstreut mich…
Sie wissen, daß ich mich nie mit der Hauswirtschaft abgegeben habe;
und jetzt, da Gasparine bei uns ist… Die Löckchen kleiden mich gut,
wie? Das tröstet mich ein wenig über mein Unglück, wenn ich mich
schön gekleidet und hübsch sehe.
Da das Essen noch nicht fertig war, erzählte er ihr seinen
Austritt aus dem Hause »Zum Paradies der Damen«. Er erdichtete eine
Mär von einer Anstellung, auf die er schon längst gewartet habe,
und legte sich so einen Vorwand zurecht, um die Notwendigkeit,
seine Mahlzeiten anderswo zu nehmen, erklären zu können. Sie
wunderte sich zwar, daß er ein Haus, das ihm eine Zukunft sicherte,
so leichthin verlassen könne; aber sie gab sich ganz ihrem Spiegel
hin und hörte ihm kaum zu.
Sehen Sie doch diesen roten Fleck hinter dem
Ohre, ist das eine Blatter?
Er mußte ihr den Hals untersuchen, den sie ihm mit der Ruhe
eines Weibes hinhielt, das sich gegen alle Versuchungen gefeit
fühlt.
Es ist nichts, sagte er, Sie werden sich zu stark abgerieben
haben.
Nachdem er ihr beim Anziehen des blauseidenen, silbergestickten
Schlafrockes behilflich gewesen, gingen sie in den Speisesaal
hinüber. Schon während man die Suppe aß, wurde von dem Austritte
Octaves bei den Hédouins geplaudert. Campardon fuhr verwundert auf,
während Gasparine ihr feines Lächeln sehen ließ. Sie fühlten sich
übrigens recht behaglich miteinander. Der junge Mann wurde zuletzt
ganz gerührt von der zarten Aufmerksamkeit, womit sie Rosa
überhäuften. Campardon schenkte ihr zum Trinken ein, Gasparine
suchte für sie die schönsten Bissen der aufgetragenen Speisen aus.
Man erkundigte sich, ob ihr das Brot munde, sonst werde man es bei
einem andern Bäcker bestellen. Ob ihr nicht ein Kissen gefällig
sei, um sich den Rücken zu stützen.
Rosa wieder, ganz Dankbarkeit, bat flehentlichst, sie möchten
sich doch ihretwegen nicht so stören. Sie ließ sich's recht
schmecken und thronte zwischen den beiden mit dem samtzarten Halse
einer schönen Blondine, eingehüllt in ihren Schlafrock, den keine
Königin verschmäht hätte, zur Rechten ihren Gatten, kurzatmig und
abmagernd, zur Linken die dürre, schwarze Kusine, die
zusammengeschrumpften Schultern in einem Kleide von dunkler Farbe,
das Fleisch durch die Glut der Leidenschaft wie von den Knochen
geschmolzen.
Während des Nachtisches schalt Gasparine Lisa tüchtig aus, weil
sie der gnädigen Frau wegen eines Stücks Käse, das sie verlegt hatte, eine unehrerbietige Antwort
gegeben. Das Stubenmädchen wurde sehr untertänig.
Gasparine hatte sogleich die Hauswirtschaft in die Hand genommen
und die Mägde gezähmt; selbst Victoire bei ihren Schüsseln zitterte
vor ihr. Die erkenntliche Rosa sah sie mit einem tränenfeuchten
Blick an; seit ihre Kusine bei ihr war, wurde sie geachtet, und sie
träumte bereits davon, auch sie zu bewegen, daß sie ihre Stellung
im Geschäft »Zum Paradies der Damen« aufgebe und die Erziehung
Angelas übernehme.
Hier gibt es genug zu
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