Der Hahn ist tot
ungute Gedanken. Ernst Schröder schoß so lange, bis er wirklich eine scheußliche lila Plastikorchidee ergatterte, die er mir galant überreichte. Witold sagte, er wolle und könne nicht schießen.
Beate aber sprudelte hervor: »Ich schieße für dich!«
Sie traf ausgezeichnet, denn Beate war an Geschicklichkeit stets ein Naturtalent. Sie bekam eine rote Rose, steckte sie umständlich an Witolds Hemd und fummelte für meine Begriffe viel zu lange an ihm herum. Dann wurde sie übermütig und verlangte nach der Schiffsschaukel.
»Da muß ich aber passen«, sagte der rundliche Ernst, »mir wird schon beim Zuschauen schwindlig.«
Auch mir war nicht danach zumute, das versammelte Publikum unter meine schwingenden Röcke schauen zu lassen. Aber ich wurde gar nicht erst gefragt. Beate hatte Witold einfach an die Hand genommen, und beide schwangen sich, eng gegenüberstehend, unter juchzendem Lachen in die Höhe. Ich fand das absolut geschmacklos.
Schließlich landeten sie wieder auf der Erde. Witold war käsig und lachte nicht mehr.
»Du siehst ja aus, als würdest du gleich zum Wiederkäuer werden, bist halt auch nicht mehr zwanzig«, meinte der freundliche Hakim. Beate nahm die Gelegenheit wahr, so zu tun, als ob sie durchaus noch zwanzig sei (dabei war sie genau drei Monate älter als ich); sie gab mächtig an mit ihrer .Schwindelfreiheit und behauptete, für sie wäre der Beruf des Dachdeckers oder Schornsteinfegers die ideale Lösung gewesen.
Witold beachtete sie nicht und steuerte eine Bank an.
»Mensch«, sagte Ernst Schörder, »mach keinen Scheiß. Ist dir schlecht, oder was hat dir auf einmal die Petersilie verhagelt?«
Witold schluckte.
»Ich steh’ da oben auf der Schaukel und grunze wie ein Affe, da seh’ ich dort unten zwei Ladenburger Schüler stehen.«
»So what?« rief Beate arglos, »Lehrer sind doch auch Menschen!«
Aber Ernst belehrte sie: »Rainer ist krankgeschrieben, und die Schüler denken, er liegt im Bett. Dann sieht das auf der Schaukel wirklich nicht besonders seriös aus, und sie werden ihn erpressen, wenn sie selber schwänzen wollen.«
»Halt mal«, warf jetzt Witold ein, »ich bin zwar krankgeschrieben, aber die Diagnose lautet >schwerer psychischer Erschöpfungszustand mit Depressionen Der Arzt hat ausdrücklich verboten, daß ich viel im Bett liege und grüble. Ich soll lange Spaziergänge machen, hat er geraten.«
Trotzdem war Witold nicht mehr in Stimmung und wollte plötzlich heim, dabei bemerkte er, daß er in Anbetracht des Weinkonsums mit dem Fahrrad gekommen war. Ich bot ihm an, ihn mitsamt seinem Rad heimzufahren. Aber er war mürrisch und sagte, er wolle mich nicht inkommodieren. Ernst könne ihn im Auto nach Ladenburg mitnehmen, er wolle heute in seinem eigenen Bett zu Hause schlafen.
Also trennten wir uns. Ich hatte Beate abgeholt und mußte sie jetzt auch zurückbringen. Als wir zusammen im Wagen saßen, fing Beate an: »Rosi, du hast aber auf diesen Ernst Schröder großen Eindruck gemacht. Mein Kompliment!«
Ich schwieg. Das stimmte nämlich nicht, Beate redete nur so, damit ich ihr meinerseits zu ihren Erfolgen gratulieren sollte, und den Gefallen wollte ich ihr wirklich nicht tun. Ich hätte sie sowieso am liebsten irgendwo auf dunkler Straße ausgesetzt, aber ich konnte ihr meine Wut und Enttäuschung ja noch nicht einmal andeuten. Eigentumsrechte auf Witold hatte ich nicht, darüberhinaus sollte sie ja glauben, wir hätten uns alle vier gerade erst kennengelernt.
Beate begann sich nun selbst zu loben, wo ich es nicht tat. »Ich war aber auch nicht schlecht heute«, begann sie. Es war zum Heulen.
»Dieser Engstern und ich haben viele gemeinsame Bekannte, außerdem kennen sich unsere Kinder. Da gab es gleich eine Menge Anknüpfungspunkte.«
Ich schwieg weiter. Beate hörte schließlich auf zu plappern, und wir fuhren wortlos die dunkle Bergstraße entlang.
Kurz vor ihrer Wohnung fragte ich bang: »Seht ihr euch wieder?«
Beate lachte. »Wo denkst du hin. Dieser Mann hat Charisma, der ist ’ne Nummer zu groß für mich. Für einen solchen Abend gut. Aber noch mehr - nee. Das würde nur Ärger für mich bringen. Weißt du, wenn so ein faszinierender Mann plötzlich frei wird, dann sucht er sich garantiert ’ne Neue aus, die mindestens zehn Jahre jünger ist. Glaub mir, ich hab’ Erfahrung!«
Auch das hörte ich nicht gerade gern.
»Dein Jürgen ist ja noch viel jünger«, warf ich ein.
»Klar«, sagte Beate trocken, »aber du siehst doch selbst
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