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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Dieskau in den Park und wusch meine Gardinen. Am Freitag rief Witold an; er hatte in Bickelbach kein Telefon, so daß ich ihn sowieso nicht erreichen konnte. »Na, Thyra, ist alles klar? Klappt es morgen?« fragte er verschwörerisch. »Mein Freund Ernst Schröder kommt jedenfalls mit, er war angetan von der Idee, denn er ist momentan Strohwitwer.«
    Beate und ich schlenderten am bewußten Samstag nachmittag gegen fünf Uhr durch die Weinheimer Altstadt. Um sechs wollte ich sie unauffällig in einer bestimmten Gasse an einen Tisch lotsen. So einfach war das aber gar nicht. Beate animierte die starken Männer, den Lukas zu hauen.
    Pünktlich waren wir nicht, es war bereits Viertel nach sechs, als es mir glückte, sie zum Sitzen zu bringen. Außerdem war kaum mehr Platz an diesem Tisch, wohin sollte sich Witold dann noch zwängen? Ich sah ihn um halb sieben von weitem mit einem klobigen, bärtigen Mann und anscheinend schon angeheitert dahertrudeln. Ich war erhitzt von Vorfreude und Angst und paßte überhaupt nicht auf, was mir Beate berichtet hatte.
    Schon waren die beiden Männer an unserem Tisch. »Entschuldigung, können Sie noch etwas rutschen?« fragte Witold listig das Ehepaar, das uns bisher gegenübergesessen hatte.
    Beate meinte: »Hier ist es schon eng genug, gehen Sie doch mal hinten an einen Tisch, da sieht es bestimmt besser aus.«
    Aber das Ehepaar erhob sich. Der Mann sagte, sie hätten sowieso gerade gehen wollen, er werde an der Theke zahlen. Prompt saß Dr. Schröder mir und Witold Beate gegenüber.
    »Ach«, rief Beate, »ich weiß, wer Sie sind! Sie sind doch Rainer Engstern, der jedes Jahr in der Heppenheimer Volkshochschule einen Vortrag hält!«
    Witold bestätigte das.
    »Ich bin Beate Sperber«, sagte sie, »und das ist meine Freundin Rosi Hirte.«
    Nun stellte sich auch Dr. Schröder vor.
    »Rosemarie paßt aber gar nicht zu Ihnen«, sagte Witold unverfroren, »haben Sie nicht noch einen anderen Namen?«
    »Thyra«, hauchte ich.
    Beate zog ein Gesicht.
    »Nein, Rosi, das kann doch nicht wahr sein! Davon hast du mir ja noch nie was gesagt!«
    Kühn blickte ich Witold ins Gesicht und sagte: »Rainer paßt aber auch nicht besonders gut zu Ihnen!«
    Um es kurz zu machen, binnen weniger Minuten hießen wir wieder beim Zweitnamen und duzten uns alle vier, was Beate angestiftet hatte. Allerdings hatte Ernst Schröder auf Befragen gar keinen Zweitnamen, wurde aber von Witold gelegentlich Hakim genannt, denn er hatte zuerst Medizin studiert, bevor er Apotheker geworden war. Beates Zweitnamen war Edeltraud, und sie verbat es sich energisch, ihn anzuwenden.
    Witolds Freund Ernst, oder El Hakim, erzählte mir lang und breit, daß seine Frau in Amerika sei, daß sein Sohn gerade sitzengeblieben war und daß er Witold bei der SPD kennengelernt habe. Er hatte eine beginnende Glatze, war gemütlich und nett, aber eigentlich wollte ich ja nur mit Witold reden, ihn ansehen und anlächeln. Beate schien sich aufs beste mit ihm zu verstehen. Sie geriet sofort in Fahrt, wenn Männer auftauchten, die ihr gefielen. Zuerst hörte ich mit halbem Ohr, daß die beiden seriöse Konversation über das Volkshochschulprogramm machten. Dann frozzelten und klatschten sie über ein Original unter den älteren Dozenten, und schließlich sah ich, wie sie Tränen lachten. Ein wenig kränkte mich das, ich wollte teilnehmen an diesem herzerfrischenden Gelächter. Aber ich konnte den freundlichen Schröder nicht gut vor den Kopf stoßen, mußte ihm antworten und nett sein. Meine gute Laune verflog immer mehr, je fröhlicher Beate an meiner Seite wurde.
    An unserem langen Tisch wurde es im übrigen bei zunehmendem Alkoholkonsum immer lauter, so daß ich inzwischen fast gar nichts mehr verstehen konnte. Auf einmal drehte sich Beate zu mir um. »Hast du Kopfschmerzen oder was, du machst so ein bewölktes Gesicht?«
    Ich beteuerte, mir ginge es gut, aber man könnte ja noch ein bißchen woanders sitzen, wo vielleicht bessere Luft sei, und diesen Platz hier verlassen. Ich hoffte, daß ich dann neben oder meinetwegen auch gegenüber von Witold zu sitzen käme. Die anderen waren einverstanden. Witold zwinkerte mir sogar heimlich zu, da wurde mir etwas leichter ums Herz.
    Wir schlenderten durch die engen Gassen, die mit vielen bunten Lämpchen liebevoll herausgeputzt waren. Ernst Schröder strebte zum Schießstand.
    »Jetzt werden wir den Damen eine edle Blume erringen!«
    Mir gefiel das Schießen nicht, denn Witold und ich hatten dabei

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