Der Hahn ist tot
den Qualitätsunterschied.«
Nun hatte ich doch wieder etwas für sie übrig und verabschiedete mich nicht so frostig, wie ich vorgehabt hatte.
Die Tage nach diesem Samstag krochen dahin. Wir hatten nichts verabredet, ich konnte mich auf kein Treffen freuen, wann würde ich Witold wiedersehen? Anrufen konnte ich ihn in Bickelbach nicht, schreiben wollte ich auch nicht, das nahm unserer Beziehung das Schwebende. Außerdem fürchtete ich den Rotstift des Lehrers, denn Aufsatz war nicht gerade meine Stärke gewesen.
Statt des erhofften Anrufs kam einer von Beate.
»Hallo Rosi, wie hast du die ungewohnte Kirmes-Orgie überstanden?« fragte sie spöttisch. »Übrigens waren unsere beiden Eroberungen am Sonntag darauf bei mir.«
Ich wollte etwas ganz Beiläufiges dazu sagen, aber dumpfe Verzweiflung kroch mir wie ein Wurm in der Kehle hoch, und meine Stimme knurrte nur.
»Der Dieskau meckert«, fuhr Beate fort, »sicher warst du heute noch nicht mit ihm weg. Also, ich wollte dir doch erzählen: Sonntag gegen sechs Uhr nachmittags schellte es, und ich war nicht gerade erbaut darüber, weil ja die Kinder da waren und ich gerade das Essen fertig hatte. Na, es waren also der Rainer Engstern (zum Glück sagte Beate >Rainer< und nicht >Witold<) und der Ernst Schröder. Sie waren auf dem Weg in den Odenwald, denn Rainer war ja am Samstag mit nach Ladenburg gefahren. Nun brachte ihn der gute Ernst mitsamt seinem Fahrrad wieder nach Bickelbach zurück. Nett war ja die Idee, mal auf einen Sprung bei mir reinzuschauen. Ich liege ja quasi auf dem Weg.«
Ich gab ein »Hm« von mir. Leider lag ich wirklich nicht auf dem Wege, das mußte man zugeben. Beate erzählte weiter: »Die beiden waren nicht abgeneigt, mit uns zu essen. Ich hatte auch zufällig eine Lammkeule mit Knoblauch und grünen Bohnen, das hat diesen frauenlosen Burschen natürlich geschmeckt.«
Ich wußte, wie gut Beate kochte. Klar, damit fing sie die Männer ein. Jürgens Anhänglichkeit konnte auch nur solche Gründe haben.
»Und die Kinder?« fragte ich matt.
»Oh, die sind ja manchmal sehr charmant. Sie haben sich prächtig mit Rainer verstanden. Die Lessi kannte ihn ja schon durch Eva und seinen Sohn Max. Aber auch Vivian und Richard hatten Freunde, die mal bei ihm in die Schule gegangen sind. Er hat sich sehr lustig mit den Kindern unterhalten und sich besonders für Vivians Kunststudium interessiert.«
Was konnte ich dagegen anbieten? Bestimmt keine Lammkeule und drei Kinder, die frischen Wind in den Laden bringen. Beate fuhr fort: »Den Ernst finde ich übrigens besonders nett, aber der Rainer ist noch eine Prise besser. Rosi, das verdanke ich eigentlich dir, daß ich diese duften Typen kennengelernt habe, ohne dich wäre ich gar nicht dorthin geraten.«
Ich weinte, aber das konnte sie nicht sehen. Wie gemein sie sich ausdrückte!
Beate quasselte immer noch weiter: »Der Rainer bleibt übrigens nur noch diese Woche in seinem Refugium im Odenwald. Er will am Montag wieder Unterricht geben, obgleich er sich sicher noch länger krank schreiben lassen könnte. Na, er will wieder in sein Haus, sagte auch, dort gebe es einiges zu erledigen.«
Ich konnte in dieser bleiernen Nacht wenig schlafen. Es saß mir von meiner Erziehung her tief in den Knochen, daß eigentlich der Mann die Werbung übernehmen sollte. Aber wenn er es nicht tat? Und überhaupt, waren das nicht längst überholte Vorstellungen, die ich von meiner nonnenhaften Mutter übernommen hatte? Beate verhielt sich da viel zupackender. Sollte ich einfach wie sie die Initiative ergreifen, wieder mal hinfahren? Oder war das aufdringlich? Ich wußte es nicht.
Am Freitagabend hielt ich es nicht mehr aus. Ein verlorenes Wochenende stand mir bevor, wenn ich nichts unternahm. Ich rief versuchsweise in Ladenburg an, Witold meldete sich sofort, was ich nicht erwartet hatte.
»Rosemarie Hirte«, stotterte ich, wie ich mich eben meistens melde.
»Wer? Kenn ich nicht, Sie haben sich verwählt«, sagte er kühl. »Ich bin’s doch«, piepste ich wie ein weinerliches Kind.
»Ach Thyra«, lachte er auf einmal, »na klar, entschuldigen Sie, ich habe nicht gleich geschaltet.«
Er sagte nicht »du«, sondern »Sie«. Was sollte ich eigentlich vorbringen? Ich fragte nach seinem Befinden und ob er Bickelbach schon lange verlassen habe.
»Ich bin heute morgen erst wieder hier eingetroffen«, erklärte Witold ganz eifrig. »Wissen Sie, ich unterrichte eine zwölfte Klasse im Leistungskurs, da geht es einfach
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