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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Schlaftablette genommen hatte, da er nach reichlichem Alkoholgenuß häufig überdrehte Zustände habe und nicht recht einschlafen könne.
    Die Wirtin brachte uns eine Tasse heiße Zwiebelsuppe.
    Schließlich erschien auch der Leichenwagen, aber dessen Fahrer hatte die Anweisung erhalten, auf den Kommissar zu warten, bevor er die Tote zur Pathologie brachte.
    Nach gut drei Stunden kam der Kommissar. Auch er hielt sich zuerst bei der Wirtin in der Küche auf, wo bereits die zwei Totenträger und der Polizist saßen. Schließlich ging er mit der Fotoausrüstung und einem geheimnisvollen Köfferchen zu der Toten, die nun abtransportiert wurde. Kitty, die die Leiche gefunden hatte, sollte ihm oben im Badezimmer genau schildern, wann und wie das gewesen sei. Er fragte tatsächlich, warum das Handtuch naß in der Ecke läge, da sich Tote ja nicht abtrocknen. Kitty antwortete, wahrscheinlich habe sie Scarlett damit angefaßt. Scarletts Gepäck wurde in das Polizeiauto getragen. Ich war halbtot vor Angst, daß auch mein Koffer inspiziert würde. Aber es geschah nicht.
    Schließlich wurden wir einzeln befragt. Anscheinend hatte einer der anderen Gäste, der unter uns wohnte, gehört, daß um Viertel nach drei noch Wasser lief, hatte sich darüber geärgert und sich die Zeit gemerkt. Kitty und ich sagten aus, daß wir absolut nicht wahrgenommen hätten, daß Scarlett noch so spät gebadet hatte. Auch Ernst erzählte nichts von Witolds später Zigarette, da er das wahrscheinlich vergessen hatte oder für unwichtig hielt. Die Wirtin hatte tief in der Nacht einen Wagen kommen hören, wußte aber nicht, wann. Die Gespräche mit dem deutsch sprechenden Kommissar zogen sich in die Länge. Er war erst am späten Nachmittag mit uns fertig. Wir sollten am nächsten Tag in sein Büro kommen und die Protokolle unterzeichnen.
    Ernst hatte sich nach dem Tränenausbruch und dem Verhör etwas gefaßt. Seine Sorge galt jetzt seinen Kindern. Er wollte ihnen die Nachricht persönlich, aber keinesfalls telefonisch mitteilen. Andererseits mußte er auf alle Fälle hierbleiben, bis alle Formalitäten geklärt und auch die Überführung der Leiche nach Deutschland geregelt war.
    Witold schlug vor: »Wenn wir morgen bei der Polizei fertig sind, dann bitte ich dich, Kitty, mit meinem Wagen und Thyra heimzufahren. Ihr könnt hier doch nichts mehr für Ernst tun. Ich bleibe hier bei ihm, übersetze bei den amtlichen Sachen und fahre ihn schließlich mit seinem Wagen heim. Aber natürlich müssen Annette und Oleg sofort informiert werden.«
    Kitty fragte Ernst nach einer Person seines Vertrauens, die auch einen guten Draht zu den Kindern hätte. Ernst kam nun selbst auf die Idee, seine langjährige Apothekenhelferin und ein befreundetes Ehepaar anzurufen, das versprach, sich der Kinder anzunehmen und ihnen behutsam die schreckliche Wahrheit zu sagen.
    Dabei fiel mir ein, daß ich bereits sieben Kinder - wenn auch keine kleinen - mutterlos gemacht hatte.
    Keiner mochte an diesem Abend essen, aber die Wirtin brachte uns ungefragt eine Kleinigkeit aufs Zimmer, da sie uns vor der üblichen Heiterkeit der anderen Gäste bewahren wollte. Wir gingen danach ein paar Schritte vor die Tür. Kitty hängte sich bei Ernst ein, sie ließ ihn sprechen, sich anklagen, weinen und hadern. Witold ging mit mir hinterher. Er war ebenfalls fix und fertig. Ein paarmal setzte er an und wollte etwas sagen, es gelang aber nicht.
    »Thyra...«, begann er wieder ganz leise, »ach nichts.«
    Ich hatte nicht Kittys Fähigkeit, ihn an der Hand zu nehmen. Außerdem hatte ich auch keine Lust mehr dazu. Dieser Mann, das wurde mir immer klarer, würde, wenn ich viel Glück hatte, mal ein kurzes Techtelmechtel mit mir haben. Aber ich machte mir keine Illusionen, daß er treu und ehrlich bei mir bleiben würde. Beate hatte früher schon so etwas angedeutet: Eine Beziehung zu einem solchen Mann brachte nur Leid. Auch Scarlett hatte von einem »Ausbund an Charme« gesprochen, neben dem seine Frau Hilke stets im Schatten gestanden hatte. Nein - keine Hand.
    Aber plötzlich legte er los und war nicht mehr zu bremsen: »Thyra, drei Frauen sind tot. Eine davon war meine Frau, die hast du nicht kennengelernt, aber du warst bei ihrem Tod dabei. Wir sind beide in diesem Fall schuldig geworden. Die nächste war Beate, deine Freundin, die ich durch dich kennengelernt habe und deren Tochter meine Geliebte wurde. Ein Zufall, könnte man sagen. Bei der dritten, die die Frau meines Freundes war, sind wir

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