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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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denn dann noch ins Auto gestiegen?« fragte ich.
    Witold erregte sich.
    »Wenn das ein Verhör sein soll, dann würde ich an deiner Stelle erst mal vor der eigenen Tür kehren. Wir sind ins Dorf gefahren, um Zigaretten zu holen. Tschüs!«, er legte auf, wütend.
    Nach zehn Minuten rief er wieder an.
    »Thyra, nimm’s mir nicht krumm, ich bin dabei, die Nerven zu verlieren. Natürlich ist es nett von dir gewesen, nichts über unseren nächtlichen Treff zu verraten. Ich danke dir dafür. - Hast du denn gehört, als Scarlett wieder zurückkam?«
    Aha, die lange Zeit im Auto reichte nicht für einen kleinen Trip zum Zigarettenautomaten. Witold befürchtete wohl, daß ich durchaus ahnte, daß im Auto nicht bloß geraucht worden war.
    »Natürlich habe ich sie nicht gehört«, versicherte ich, »ich bin wohl gegen zwölf fest eingeschlafen.«
    Er schien beruhigt zu sein, sprach über etwas anderes und fragte schließlich, ob ich zur Beerdigung käme.
    »Um wieviel Uhr ist sie denn?« wollte ich wissen..
    »Um vierzehn Uhr ist die Trauerfeier in der Kapelle vom Ladenburger Friedhof, soviel ich weiß.«
    »Das wird nicht gehen, ich kann nicht schon wieder freinehmen«, erklärte ich, denn ich hatte kein Verlangen, in so kurzer Zeit eine zweite Totenfeier mitzumachen. Wir verabschiedeten uns freundlich.
    Ich mußte wieder ins Büro, obgleich es mir reichlich schwer fiel. Nichts von meiner Arbeit war delegiert oder gar vom Chef selbst übernommen worden, alles häufte sich auf meinem Schreibtisch, was ich in dieser Woche zu tun gehabt hätte. Wäre ich doch ganze drei Wochen weggefahren, dann wäre das nicht möglich gewesen! Ich war für die nächste Zeit mit Überstunden eingedeckt. Langweilige Aktenberge würden meine Büro- und Freizeit ausfüllen. Die Gedanken an Verliebtheit, gutes Essen und Wandern waren weit weg, aber auch die Erinnerung an tote Frauen, an Gefahr und Nervenkitzel wurde von meinem Berufsleben ziemlich verdrängt. Früher hatte es mir nicht viel ausgemacht, auch mal abends einen wichtigen Fall zu bearbeiten. Wahrscheinlich durchlief ich jetzt gerade einen Schub des Alterns oder den endgültigen Beginn der Menopause, denn es fiel mir unendlich schwer, zeitig aufzustehen, den Tag über konzentriert zu arbeiten und noch am späten Abend Wäsche aufzuhängen und meine Tasse zu spülen. Fast vergaß ich, täglich an Witold zu denken, dem noch vor kurzem mein erster innerlicher Gruß am Morgen und mein letzter am Abend gegolten hatte.
    Nach etwa fünf Tagen, die mit mühseliger Arbeit ausgefüllt waren, rief er an. Witold war aufgeregt. Kaum brachte er seine übliche freundliche Einleitung, mit der er immer seine Gespräche begann und die nur der Frage nach meiner Befindlichkeit galt, zustande.
    »Erinnerst du dich, Thyra, daß man früher immer von >Kommissar Zufall< sprach? Heute ist dieser erfolgreichste aller Polizisten durch >Kommissar Computer< ersetzt worden. Jedenfalls gibt es nun viele junge Kriminalisten, die ihren Computer pausen- und gnadenlos mit Daten, Fakten, Personen und Untaten füttern und auf diesem Wege zuweilen Zusammenhänge entdecken, auf die sie sonst nicht gekommen wären.«
    Ich lauschte angespannt. »Na und?« hauchte ich.
    »Also, ich wurde mal wieder zur Ladenburger Polizei zitiert. Nach Hilkes Tod war ich häufig dort, aber in der letzten Zeit herrschte Funkstille.
    Nun, um es nicht zu spannend zu machen: Die elsässische Polizei hat den Fall Pamela Schröder abgeschlossen und ihren Ladenburger Kollegen weitergegeben. Und in Ladenburg sitzt also ein Computerfreak. Auch ohne technische Hilfe war ihm bereits aufgefallen, daß die Ehefrauen von zwei befreundeten Männern innerhalb kurzer Zeit unter relativ unklaren Umständen gestorben sind. Aber jetzt wird es interessant. Er kennt einen Kollegen an der Bergstraße, der Beates Fall bearbeitet hat und der ebenfalls computerbesessen ist. Sie dachten beide, daß alle diese Fälle in räumlicher Nähe stattfanden und daß alle drei Frauen weder alt noch krank waren. Thyra, das gleiche habe ich neulich auch zu dir gesagt, und ich bin kein Kommissar!«
    »Ich verstehe überhaupt nicht, was du mit dem Computer willst«, sagte ich.
    »Das kommt doch gerade. Also, die beiden Kriminalisten fütterten ihre Computer mit allen Personen, die mit diesen drei toten Frauen zu tun hatten. Natürlich haben sie auch noch viele andere Spuren verfolgt, die im Sande verliefen. Na, jedenfalls stellten sie fest, daß ich alle drei gekannt habe, zwei davon

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